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Der Hype um Hollywood-SuperheldenOne for the money, two for the show

Superhelden treffen andere Superhelden – das ist derzeit Hollywoods Lieblingsrezept. Und eine Allegorie des Systems, in dem die Filme entstehen.

Vor dem Superhelden-Hype: Batman (Adam West) und Robin (Burt Ward) in den 60ern Foto: imago/United Archives International

Wie erzählt man die Geschichte des Kapitalismus im Kino? Vielleicht: ein Foto von Adam Smith, streikende Fabrikarbeiter, Charly Chaplin zwischen den Zahnrädern einer Maschine und dazu im Voice-over Marx-Zitate? Nein, gar nicht nötig. Man schaut sich einfach Superheldenfilme an.

Allein in diesem Jahr kamen drei in die Kinos: “„Batman v Superman: Dawn of Justice“ „The First Avenger: Civil War“ und „Suicide Squad“. Schon seit 2008 haben die richtig Konjunktur. Damals beschloss Disney, der Inhaber der Filmrechte an den „Marvel“-Comics, ein fiktives Universum zu erschaffen, in dem alle künftigen Filme und Figuren des Labels lokalisierbar sein sollten, mit gegenseitigen Gastauftritten und Allianzen der Helden – das „Marvel Cinematic Universe“. Disneys Konkurrent Warner Brothers antwortete 2013 mit dem „DC Extended Universe“, auch so ein Superheldenhort.

Das macht aus den zuvor abstrakten „Markenwelten“ konkrete, wenn auch fiktive Universen. Synergetische Erzähleffekte werden möglich. Soll beispielsweise ein neuer Held eingeführt werden, bekommt er zunächst mediale Schützenhilfe von einem bereits etablierten Kollegen. In dessen Film lässt man dann zum Beispiel die Eltern des Newcomers ermorden und ihn Rache schwören. So hat der Neue seinen kleinen Auftritt, wie mit einem Wasserzeichen „coming soon“ überklebt. Wirtschaftlich würde man von „Quersubventionen in den Markenwert neuer Figuren“ sprechen.

Denn genau das sind Superhelden heute: keine konsistente Figuren, sondern bemannte Marken. Der treuherzigste von ihnen ist ein sprechender Baum im Film „Guardians of the Galaxy“. „Ich bin Groot“ lautet seine wiederkehrende Antwort auf jede erdenkliche Situation. Groot ist Groot, nur dafür steht er mit seinem Namen.

Kleines Makeover für Batman

Superheldenfiguren müssen zwei Logiken zugleich gehorchen. Peter Parker sollte mehr als nur „Ich bin Peter Parker“ sagen können, also eine halbwegs nachvollziehbare Persönlichkeit besitzen. Er soll also ein richtiger Mensch sein. Als Spiderman hingegen ist Peter ein Held und braucht dafür ein wiedererkennbares Set aus Kostüm, Superkräften und Posen wie dem Schwingen mit den Spinnenfäden aus seinen Händen. Die Persönlichkeit lebt von der Anpassung an die Situation; die „Corporate Identity“ davon, dass sie wie ein Logo gleich bleibt.

Diese Schizophrenie zwischen der Actionfigur und dem Menschen, der sie verkörpert, war bislang nur indirekt spürbar. Nehmen wir Batman als Beispiel. Er erscheint fortlaufend in Comics, lebt also in gefühlter Echtzeit neben seinen Lesern her und müsste folglich heute über hundert Jahre alt sein, nachdem er 1939 bereits ein ausgewachsener Mann war. Also verjüngen immer wieder neue Generationen von Autoren das Fledermauskostüm entsprechend dem aktuellen Zeitgeschmack, während sie – damit Batman anschließend immer noch Batman ist – wieder und wieder dieselbe „origin story“ erzählen. Der tödliche Überfall auf seine Eltern hört nicht auf, Bruce Wayne nachts zu verfolgen, sein traumatisches Erlebnis mit den Fledermäusen und die Entscheidung: „I shall become a bat“ kehren immer wieder.

Aufgrund dieser zeitlogischen Merkwürdigkeit spricht der Philosoph Umberto Eco vom „traumähnlichen Klima“ der Superheldengeschichten, in denen das, „was zuvor und danach geschieht, extrem diffus ist“. Im Zeitalter der gemeinsamen Erzähluniversen tritt jene Unschärfe nun in die Filme selbst ein und diese sozusagen in ihre turbokapitalistische Phase. Jetzt wird es möglich, mit einem einzigen Film sowohl die Fans von Superman als auch Batman ins Kino zu locken.

„Batman v Superman“ münzt das Aufeinanderprallen der beiden Markenfiguren in ein säbelrasselndes Aufgebot ihrer ikonischen Posen: Hier die mal wieder von einem Hochhaus stürzende Superman-Begleiterin Lois Lane mit flatterndem Cape; dort Batman, der vor regennassem Fenster eine Unterredung mit seinem Butler Alfred führt. Es ist, als würden mit den beiden Helden zugleich zwei Filme gegeneinander kämpfen, zwischen denen eine „traumähnliche“ Unschärfe liegt. Diese will sich partout auch dadurch nicht schließen, dass die Mütter beider Helden denselben Namen haben und damit, in einem Moment des gegenseitigen Erkennens, gerade noch der drohende Kannibalismus im gemeinsamen Markenuniversum verhindert werden kann: Batman steht schon mit dem tödlichen Speer über Superman.

Das Spin-Off des Spin-Offs des Spin-Offs

Die schizophrene Dissonanz in den Figuren, auf die Ecos Beobachtung hindeutet, hat den Film insgesamt infiziert. Ein schönes Bild dafür liefert ein Exkurs zu Charlie Kaufmans Film „Synecdoche, New York“ (2008). Es geht darin um einen alternden Theaterregisseur namens Caden, der allmählich seinen Verstand verliert.

Caden mietet sich eine riesige Halle. Dort beginnt er, immer weitere Teile seines Lebens durch theatrale Reproduktionen zu ersetzen, die einfach nebeneinander im Raum bestehen bleiben, anstatt zeitlich voranzuschreiten. Er öffnet irgendwo eine Tür und gelangt in eine andere Szene, an einem anderen Punkt seines Lebens. Schon bald ist die Halle nicht mehr groß genug und muss von einer weiteren umschlossen werden muss. Die immer weiter anschwellende Produktion beschreibt eine Welt kurz vor dem Zusammenbruch. Am Ende wandelt Caden wie König Midas durch ein komplett in Kulissen verwandeltes Leben.

Das Heldenuniversum wächst in eine fiktive Breite. Die Filme potenzieren Markenwerte mit künstlichen Synergieeffekten. Kurz: Da bildet sich eine Blase

Dieses Schicksal könnte auch den Superhelden-Team-Filmen blühen. Sie brechen mit der „natürlichen“ Logik von Film-Franchises, einen Teil nach dem anderen zu veröffentlichen. Stattdessen wachsen sie in eine fiktive Breite und potenzieren Markenwerte mit künstlichen Synergieeffekten. Kurz: Da bildet sich eine Blase.

„Civil War“ von den Marvel-Studios demonstriert bereits Auflösungserscheinungen. Es geht darum, dass die „Avengers“-Heldentruppe, die alle auch ihre eigenen Filme haben, durch einen Trick gegeneinander aufgehetzt werden. Iron Man und Captain America bilden unterschiedliche Lager hinter sich. Aber wer mit wem? Erst mal müssen also alle Helden im gegenseitigen Kontrast ihren Markenkern schärfen, ein neuer Kämpfer eingeführt, ein paar Nebenplots für „Spin-offs“ losgetreten sein – und als dann endlich die Fetzen fliegen, ist auch die Kampfszene nur Laufsteg.

Die Kamera springt von einem zum nächsten und hält mal hier, mal dort den goldenen Rahmen um die sich in Stellung bringenden Helden. Die Truppe kloppt sich und zerfällt in einen „Civil War“ perfekt designter Einzeleinstellungen. Als hätte man die Gegner gleich ganz weggelassen, weil man mit ihnen keine Bettwäsche verkaufen kann. Der Film verschmilzt mit seinem ökonomischen Kondensat: Er sieht aus, als wäre er sein eigener Trailer.

Dann macht es pling

Das gilt sogar noch mehr für „Suicide Squad“, worin wir eine Reihe aus dem Knast entlassener badasses mit Superkräften vorgestellt bekommen, mit denen Warner seinem Konkurrenten den tätowierten Mittelfinger zeigen will. Eine Firma, die sonst für Trailer bekannt ist, besorgte hier den Finalschnitt. Und das sieht man. Der Zuschauer bezahlt an der Kinokasse, dass er 123 Minuten auf einen Hauptfilm wartet, der nicht kommt. Dabei hätte man nur eines der sich abwechselnden dramaturgischen Spin-offs einfach mal weiterlaufen lassen müssen.

Zum Beispiel die Szene, in der die durchgeknallte Baseball-Schläger-Braut Harley Quinn allein in den Aufzug steigt und dort ein paar Minuten lang in ungeteilter Aufmerksamkeit Gegner auseinander nehmen darf, während ihre Kollegen die Treppe raufdackeln. Dann macht es pling, die Tür geht auf, und da stehen sie wieder, die anderen Pappnasen. Sie wollen auch ihre „screentime“ haben. Haley steigt aus dem Auszug und dann endlich macht einer den Mund auf und spricht es aus: Ich bin Groot. Also er sagt diesen Satz nicht wirklich, aber die Figuren können nicht viel mehr als der einsilbige Baum Groot.

Noch ehrlicher ist nur Deadpool, der Zyniker im roten Gummikostüm, Marvels Riesenerfolg Anfang des Jahres. Schon in der ersten Szene zieht er die Maske ab und entblößt darunter das entstellte Gesicht eines ehemaligen Söldners, der durch die Hölle einer langen Folter „mutierte“ und unsterblich wurde. Auch Batman machte erst ein Trauma zur Fledermaus. Richtige Actionfiguren erhält man nicht ohne eine Prise Leid. Der Lohnsoldat zieht die Maske wieder auf, in der nächsten brenzligen Szene wird irgendein Stuntman darunter stecken. Praktisch, so ein Kostüm.

Deadpools Name stammt daher, dass im „Dead Pool“ der Söldner ein Betrag auf seinen Tod gewettet wurde. An seinem Kopf hängt ein unsichtbares Preisschild: Fürs Finale wird jemand sterben müssen, damit Geld fließt. Ein „money shot“, so nennt man auch das Zeigen der Ejakulation im Porno. Als Deadpool bereits am Boden liegt, fragt ihn sein Widersacher ein letztes Mal: „What’s my name?“ Deadpool liefert die Antwort: „Who fucking cares?“ Richtig, wen interessiert’s? Dann schießt er ihm ins Gesicht.

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