Ans Risiko gewöhnt

Beim Berliner Verlag hält sich die Aufregung über seinen Verkauf an die Risikokapitalistenvon 3i in Grenzen

„Wir klären jetzt erst mal die Lage, ohne gleich in wilde Aufgeregtheit zu verfallen“, so nüchtern kommentiert Betriebsratschefin Renate Gensch den offenbar bereits so gut wie abgeschlossenen Verkauf des Berliner Verlages an eine Investorengruppe um die britische Risikokapitalgesellschaft 3i. Wen wundert’s: Mit ungeklärten Umständen haben die MitarbeiterInnen von Berliner Zeitung, Kurier und Tip seit Jahren ihre Erfahrung.

Denn sie hängen seit 2002 zwischen dem zu Bertelsmann gehörenden Verlag Gruner + Jahr, der sie verkauft hat. Und dem Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern (Zeit, Handelsblatt, Buchverlage), der sie für 170 Millionen Euro im Paket übernahm – dann aber vom Kartellamt gestoppt wurde, weil er in Berlin bereits den Tagesspiegel verlegt.

Bislang ging Holtzbrinck gerichtlich gegen den Kartellamtsspruch vor, was dem Berliner Verlag Zeit gab, sich höchst erfolgreich um sich selbst zu kümmern: Trotz harter Konkurrenz auf dem Berliner Markt und Zeitungskrise endete das Geschäftsjahr 2004 mit neun Millionen Euro Gewinn, 5,6 Millionen davon kamen von der Berliner Zeitung. Weil nun auch das noch ausstehende Urteil des Bundesgerichtshofs in letzter Instanz nichts am Kartellamts-Nein geändert hätte, zog Holtzbrinck am Schluss selbst die Bremse: Nächsten Monat wäre verhandelt worden, dann hätte der Konzern eines seiner Berliner Regionalblätter verkaufen müssen. Nur dass der zu erzielende Preis nach dem BGH-Urteil wohl deutlich niedriger ausgefallen wäre.

150 Millionen Mark wollen 3i und Co. jetzt immerhin für den Berliner Verlag inklusive Druckerei und Anzeigenblattkette berappen. Mit dem Ziel, ihn ganz oder in seine Einzelteile zerlegt gegen deutlich höhere Summen weiterzuverkaufen.

Was das für die schon durchsanierten Titel bedeutet, welche Vision 3i für den übervollen Berliner Zeitungsmarkt mitbringt, kann derzeit niemand beantworten: Presse beackerte 3i bislang nur im Ausland. Nach gerade einmal zwei Jahren verkaufte Mitte September das 3i-geführte Konsortium die irische Regionalzeitungsgruppe Local Press – mit über 40 Prozent Gewinn. Erreicht übrigens, ohne dass die beteiligten Titel einen Kahlschlag über sich ergehen lassen mussten. Im Gegenteil: Personal und Umfang wurden teilweise sogar ausgebaut. Ganz anders dagegen die Bilanz der 3i-Beteiligung an der Libération. 20,8 Anteilsprozente hält 3i noch, beim linksintellektuellen Blatt drohen Massenentlassungen.

Der Vorstoß beim Berliner Verlag ist auch nicht der erste Versuch der hierzulande vom ehemaligen Bertelsmann-Manager Stephan Krümmer geführten Truppe Richtung deutsche Presse. 3i hatte sich 2004 auch als Retter der schwer angeschlagenen Frankfurter Rundschau angeboten. Das damals intern durchgesickerte Sanierungskonzept bezeichnen Mitarbeiter noch heute als „Horrorvision“. Die FR ging schließlich an die SPD-Presseholding DDVG.

Beim Berliner Verlag sorgen sich nun vor allem die höheren Etagen: Denn nicht nur ihre Zeit der verhältnismäßigen Unabhängigkeit von übergeordneten Konzernmanagern ist vorbei. 3i ist auch dafür bekannt, auf extrem schlankes Management zu bestehen. „Die entlassen immer die stellvertretenden Abteilungsleiter“, lästert ein Redakteur. Dafür könnte der Verlag nun endlich Geld zur Expansion und für neue Projekte in die Hand bekommen. Beim Kurier liegen schon Pläne für eine Gratiszeitung in der Schublade.

Bleibt der weiterhin defizitäre Tagesspiegel. Auch über ihn wurde verhandelt, unter anderem mit den Verlagen von Spiegel, Süddeutscher und WAZ. Insider halten für möglich, dass Holtzbrinck nun die Flucht nach vorn ergreift und ganz aus dem Berliner Zeitungsmarkt aussteigt.

Die FR überlebte unter DDVG-Führung übrigens dank einer Rosskur, die nicht weit vom 3i-Konzept entfernt war. Aber das nur am Rande.