Falltüren im Kanzleramt

In der Union werden schon die Messer gewetzt, um das Fell der Bärin zu zerteilen – in der heimlichen Hoffnung, dass Angela Merkel als Kanzlerin in eine der geschlechtsspezifischen Fallen tappen wird

von COSIMA SCHMITT

Es war ein Zufall im Terminplan. Ein Machtfrauen-Disput just am Tag der Kanzlerinnen-Kür. Zu einer Buchvorstellung trafen sich am Montagabend in Berlin einige Starfrauen des Politbetriebs: Die CDUlerinnen Rita Süssmuth und Annette Schavan, mögliche künftige Bildungsministerin, sowie die Grüne Katrin Göring-Eckardt. Gemeinsam mit DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer debattierten sie über Fallstricke der Frauenmacht. Über die Gründe, warum es nur einen Sonderfall Merkel gibt – und nicht Scharen von Frauen, die die Geschicke der Nation lenken. Sie waren sich einig: Einer Machtfrau begegnen allernorts Tücken, die ein Machtmann so nicht fürchten muss.

Tränen statt Ellbogen

„Sind Sie glücklich?“, fragten Journalistinnen Angela Merkel am Montag. „Das ist so eine Frage, auf die eine Politikerin nur falsch reagieren kann“, sagt Göring-Eckardt. Bleibt sie ungerührt, droht das „Eiserne Lady“-Etikett. Offenbart sie Emotion, nährt sie das Klischee der gefühlsgeleiteten Frau. „Wenn Helmut Kohl Tränen zeigte, war das was ganz Großes. Wenn Frauen Tränen zeigen, sind sie Schwächlinge“, sagt Süssmuth.

Allzu bereitwillig erinnert sich der Betrachter ein tradiertes Bild: dass sie emotionaler sei als ihr Parteikollege. Ein Fakt – oder äugt die Öffentlichkeit nur überaufmerksam auf jede weibliche Gemütsregung? Die Runde war uneins. Göring-Eckardt jedenfalls setzt im Zweifel auf das Prinzip Pokerface: „Ich übe vor Niederlagen – Wie sorgst du dafür, dass du nicht weinst?“

Klüngel, keine Netzwerke

Eine Frauenfalle offenbart schon die Sprachwahl: Männer networken – Frauen treffen sich zum Girls Camp; früher hätte man Kaffeekränzchen gesagt. Beide Begriffe eint der Subtext: Frauenbündnisse werden zur Plauderrunde degradiert. „Männerfreundschaft, das klingt nach Konzepte-Entwickeln, nach Kraft“, sagt Schavan. Bei Frauen vermutet man eher „Weiberklüngel“, so Göring-Eckardt.

Frauenbündnisse haben jedoch nicht nur ein Imageproblem. Frauen neigen auch zu einem Irrglauben, sagt Süssmuth: dass Posten allein nach Tüchtigkeit vergeben werden. Das verkennt, wie erfolgreich sich männliche Vierteltalente gen Chefetage networken. Der mächtige Verbündete darf durchaus auch ein Mann sein, sagt Süssmuth. So zauderte ihre Partei jahrelang, Vergewaltigung in der Ehe zur Straftat zu ernennen. Dann tat sich Süssmuth mit einem konservativen katholischen Bischof zusammen – und endlich fand ihr Ansinnen Gehör.

Nischen für die Frau

„Ob sie Mutter ist oder nicht – im Zweifel wird einer Frau beides zum Nachteil ausgelegt“, sagt Göring-Eckardt. Hat frau Nachwuchs, ist sie künftig auf die Kinder-Arme-Alte-Nische abonniert. Hat sie keine, so wird ihr – wie es noch unlängst Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf mit Merkel tat – soziale Kompetenz abgesprochen. Als sei eine Frau qua nachgeburtlicher Hormonwallung fortan nur noch an Familienthemen interessiert. Und als brauchte es ein eigenes Gebärerlebnis, um rationale Lösungen für das Kind-und-Karriere-Dilemma zu finden. Und als wären Frauen die Ideal-Anwärterinnen für machtschwache Politfelder.

„Frauen haben es gar nicht schwer in der Politik“, sagt Schavan. „Kultusministerin werden etwa ist nicht schwer. Wenn die Frauen aber von den Vorhöfen der Macht in die Zentren wollen – dann heißt es auf einmal: Mädchen, das muss nicht sein“, sagt Schavan, Kultusministerin in Baden-Württemberg und gescheiterte Anwärterin auf das Ministerpräsidentenamt. Oft wählt der Konkurrent Mann Strategien der Demütigung: „Mit Ihnen möchte ich nicht verheiratet sein“, bekam Engelen-Kefer von Vorgesetzten zu hören.

Noch ist unklar, ob selbst eine Kanzlerin Frauenfallen fürchten muss. Wird sie als Zicke tituliert, sobald sie den ersten Minister auswechselt? Edmund Stoiber jedenfalls wartet nicht bis zu ihrer Wahl, um Merkels Macht zu untergraben. Ihre Richtlinienkompetenz als künftige Kanzlerin hat er bereits in Frage gestellt.