Tiefe Einschnitte in die Fankultur

ITALIEN Sicherheitsschutz statt Datenschutz: In der Serie A setzt man auf den Fanausweis

NEAPEL taz | Zeitgleich mit der Einführung des Fanausweises in der Serie A in der Saison 2010/11 ist ein Rückgang von Gewaltvorfällen zu konstatieren. Die Polizeiführung feiert das eine als ein Resultat des anderen. Fans ärgern sich noch immer über die Beschränkungen, die diese „Tessera del Tifoso“ mit sich bringt. Auch Datenschützer üben Kritik. Der AS Rom musste kürzlich der Klage eines Fans stattgeben, der sich über die Weitergabe personenbezogener Daten beschwert hatte.

Seit zwei Jahren ist in italienischen Städten mit einer Erstligamannschaft folgende Graffiti-Botschaft allerorten zu lesen: „Non tesserarti! Non abbonarti!“ (Schreib dich nicht ein! Mach kein Abo!) steht an den Wänden von Barockpalästen und Hochhäusern, an Stadtautobahnbrücken und Fabrikmauern. Das ist die sichtbarste Reaktion auf die einschneidendste Maßnahme zur Einschränkung der Gewalt durch Hooligans, die Fußballverband und Innenministerium in den letzten Jahren versucht haben. Im Fanausweis werden persönliche Daten der Fans gesammelt. Wer ein Saisonabonnement haben möchte, ist auch zum Fanausweis gezwungen. Bei Auswärtsspielen ist der Stadionbesuch nur mit dieser Identitätskarte erlaubt.

Der frühere Innenminister Maroni, der die Tessera einführte, erhoffte sich davon einen Rückgang der Gewaltvorfälle. Die Daten geben ihm recht. Seit der Exzess-Saison 2006/07 sank die Zahl der Vorfälle, bei denen es Verletzte gab, von 46 auf 28 in den ersten drei italienischen Ligen. Die Zahl der Verletzten selbst reduzierte sich von 237 auf 50. Die Zuschauerzahlen stiegen indes an. Aktuell besuchen 23.151 Zuschauer ein Serie-A-Spiel, vor sechs Jahren waren es nur 19.711. Initiativen von zahlreichen Klubs, Frauen, Kinder und Familien mit Sonderangeboten ins Stadion zu locken, spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

Über eine Million Fanausweise sind gegenwärtig im Umlauf, eine Viertelmillion davon sind Abonnements. Viele langjährige Tifosi verweigern sich jedoch der Maßnahme. Der SSC Neapel, ein Verein mit starker Fanbasis und durchschnittlich 38.300 Zuschauern pro Heimspiel, kommt auf nur 10.000 Abonnements. „Von uns lässt sich keiner eintragen“, sagte ein Boss des ältesten Fanclubs, der Fedayn, der taz. Sie erwerben gezwungenermaßen schon Tage vorher Tickets und verzichten auf Auswärtsfahrten. Die etwas verbesserte Sicherheit ist mit tiefen Einschnitten in die traditionelle Fankultur erkauft. TOM MUSTROPH