LESERiNNENBRIEFE

Genderfragen haben es schwer

■ betr.: „Verhunzte Chance zur Debatte“, taz vom 13. 11. 09

Ich bin etwas verdutzt darüber, dass die Meinungsbildung für die Journalistin Schmollack im Minutenzählen und gelangweiltem Zitieren von wichtigen Aussagen, wie der einer ostdeutsch-sozialisierten Wissenschaftlerin über das Wende-Männergerangel und die real erfahrenen Karriereabbrüche durch die Wiedervereinigung, besteht. Offensichtlich hatten wir es hier mit einer Frau zu tun, die es ebenfalls geschafft hat und dabei gelegentlich vergisst, wie viele andere Frauen es innerhalb der bundesdeutschen Männerdominanzkultur nicht geschafft haben. Eben genau ein Aspekt, der aus unserer Sicht Teil einer kritischen Reflexion zu 20 Jahren Mauerfall zu sein hat. Dass dieser Geschichtspart vielleicht zu unspannend für die einen und „altbekannt“ für die anderen ist, darf nicht davon abhalten, diese Erfahrungshorizonte immer wieder zu vergegenwärtigen und sie damit im öffentlichen Gedächtnis zu verankern. In einem behält die Autorin des Artikels dann schlussendlich aber Recht. Bezüglich der Einigkeit über das an jenem Abend diskutierte Thema und die Konsensfähigkeit dabei: „Genderfragen haben es ohnehin schwer genug!“ KATALIN GENNBURG, Berlin

Ein alter Konflikt

■ betr.: „Was macht eigentlich Markus Dröge? Muslimen endlich Klarheit verschaffen“, taz vom 16. 11. 09

Ich gebe ja zu, dass die evangelische Kirche oft ein behäbiger, urkonservativer Haufen ist, den es zu kritisieren gilt. So wie jede etwas größere Institution eben unfähiges Personal und einen Kompromisskonsens hat. So weit – so gut. Allzu oft habe ich aber das Gefühl, eure Kirchenkritik ist unreflektiert und polemisch. Soweit ich das aus den Medienmitteilungen beurteilen kann, sind seine Aussagen alles andere als rückwärts gerichtet und intolerant. Ein klarer Dialog, der sowohl die eigenen Vorstellungen deutlich macht als auch die Anschauungen des Gegenübers respektiert, ist doch okay.

Die Auseinandersetzung um die Dreieinigkeit ist ein alter Konfliktpunkt zwischen Christen und Muslimen. Was ist an der Aussage militant, in diesem Punkt vermitteln zu wollen? Und wie schließt man von der Betonung des westlichen Freiheitsideals auf antike Vorurteile gegenüber dem Islam à la „Schafschlachten auf dem Balkon“? Religion mag ja ein schwierig zu verstehendes Phänomen sein. Was aus den Ansagen Dröges folgt, können wir alle nicht absehen. Aber der Schluss, es würde sich eine neue Kälte dem Islam gegenüber einstellen, ist doch einfach aus der Luft gegriffen. SIMON KLAAS, Berlin

Alles das Gleiche?

■ betr.: „Innensenator ächtet linke Gewalt“ u. a., taz vom 12. 11. 09

Die Verwendung des Gewaltbegriffs passt mir nicht. Es ist nicht eine Suppe, ob ein paar Jungnationale versuchen, einen Studenten mit Tritten auf den Hinterkopf zu töten, oder ob ein paar Frustrierte ein Auto anzünden. Ich würde mich freuen, wenn fortan im Zusammenhang mit Sachbeschädigungen der Terminus „linke Gewalttäter“ vermieden und stattdessen besser von Randalierern gesprochen würde. Was geistert da für ein Bild des linken Gewalttäters durch die mediale Welt? Sind die Kommunisten in den Kübelwagen, die sich in der Weimarer Republik erbitterte Straßenkämpfe mit den Nazis geliefert haben, kaum auseinanderzuhalten? Oder ist’s der „schwarze Block“, der in den 80er-Jahren mit Hasskappen und in Schwarz Militanz zelebrierte, rein optisch so wie heute der nationale Widerstand? Alles das Gleiche, pöbelt die CSU, die muss es ja wissen. Mit den AbiturientInnen und Studierenden, die sich in den bundesdeutschen Antifas organisieren und den Naziläden und -kneipen Scheiben einwerfen, hat es nicht viel gemeinsam. Die müssen die Vermächtnissuppe auslöffeln und sich trotz ihres Kampfs für demokratische Werte wie Freiheit, Gleichheit und Mitbestimmung den Extremistenschuh anziehen lassen. Dass Innenminister oder Senatoren von dem ihrem Amt immanenten Totalitarismus immer wieder beherrscht werden, ist ein interessantes Phänomen. Der Applaus kommt aus der entsprechenden Ecke: Verfassungsschutz und Polizei, Organe, die selbst oft genug in der Kritik stehen, die Idee des Rechtsstaats nicht ganz verinnerlicht zu haben. SASCHA PÖRZGEN