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Aus Le Monde diplomatiqueSchönen Gruß von der Erde​

Wie ein Zeichen senden, ein unverkennbares Signal, universal verständlich? Ein kleiner Leitfaden für die Verständigung mit Außerirdischen.

Das größte Teleskop (der Erde), in China Foto: dpa

Ein Unwetter kommt auf, viel stärker als erwartet. Die Mannschaft war nicht darauf vorbereitet. Das Schiff sinkt, doch du überlebst, an ein Wrackteil geklammert. Erst nach Tagen wirst du an einer unbekannten Küste angespült. Ein Rettungstrupp wird dich suchen. Wie machst du dich bemerkbar?

Das Problem ist nicht nur, dass du mitteilen musst, dass du hier bist. Du musst das mit den Mitteln tun, die deine Umgebung dir bietet, und zwar so, dass deine Signale von den Äußerungen der Natur zu unterscheiden sind. Sie müssen erkennbar von Menschen stammen, sie müssen neu und universal verständlich sein, denn du weißt nichts über die Sprache und Kultur der Suchmannschaften.

Camper, Seeleute und Flugzeugpiloten in aller Welt kennen die Antwort. Sie lautet: deutliche Muster und Lichtzeichen. Aus Steinen arrangierte geometrische Figuren, etwa ein Dreieck oder ein SOS; oder ein reflektierender Gegenstand, um rhythmische Blinksignale zu erzeugen; oder ein Signalfeuer.

Wenn du den Rettern einen Suchpfad weisen willst, lege kleine Steinhügel, schnitze oder brenne ein Muster in die Rinde von Bäumen. Doch was machst du, wenn es um kompliziertere Mitteilungen geht? Etwa dass sie Insulin abwerfen sollen oder dass hier kein sicherer Landeplatz ist oder dass du Richtung Nordwest ins Landesinnere aufbrechen wirst, um nach Nahrung zu suchen?

Machen wir es noch schwieriger: Du weißt nicht, wie die Suchmannschaft operiert – aus der Luft, zu Fuß, vom Meer aus oder mithilfe von Satellitenbildern. Ja, du weißt nicht einmal, ob überhaupt jemand sucht. Es kann Monate oder Jahre – womöglich Jahrzehnte oder Jahrhunderte – dauern, bis dein Zeichen entdeckt wird. Gehen wir außerdem davon aus, dass du nicht einmal weißt, ob die Suchenden menschliche Wesen sein werden. Du weißt nichts über ihre Anatomie und ihre Technologie, weißt nicht, was genau und wie sie suchen.

Ein Zeichen senden

Also, wie ein Zeichen senden? Die Wasserfläche um unsere kleine Insel erstreckt sich in ozeanische Weiten, die sich nach Lichtjahren bemessen. Das ist das Dilemma von uns Erdbewohnern.

Als wir begonnen haben, die Dimensionen und die Struktur des Sonnensystems zu verstehen, erkannt haben, dass es irgendwo da draußen andere, der unseren ähnliche Welten geben könnte, fingen wir auch an, über deren Bewohner zu spekulieren. Und darüber, wie man mit ihnen Kontakt aufnehmen könnte.

Während wir uns früher im triumphalen Zentrum des Universums wähnten, sind wir heute nur noch „Isolatoes“, wie der US-amerikanische Schriftsteller Herman Melville uns nannte: Bewohner einer isolierten Sterneninsel, deren unvorstellbare Einsamkeit innerhalb des Alls mit der eines winzigen Atolls in der Weite des Pazifiks vergleichbar ist.

Als wir den Mars und seine Monde studieren konnten, behaupteten einige Astronomen, sie könnten Kanäle, Bewässerungsgräben und Wüstenstädte erkennen – bleich schimmernde Zeugnisse einer weit entfernten Insel. Und unter den Wolkenschichten der Venus wurden üppige Dschungellandschaften und Inselgruppen vermutet, fast wie in Brasilien oder am Kongo.

Le Monde diplomatique

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe von Le Monde diplomatique. LMd liegt immer am zweiten Freitag des Monats der taz bei und ist einzeln im taz-Shop bestellbar: Gedruckt oder digital (inklusive Audio-Version). Das komplette Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe finden Sie unter www.monde-diplomatique.de.

Das aschgraue Licht, das zuweilen auf der Nachtseite der Venus zu beobachten ist, führte der deutsche Astronom Franz von Paula Gruithuisen (1774–1852) auf „allgemeine Feuerfeste der Venusbewohner“ zurück, die bei „Regierungsveränderungen oder religiösen Perioden gefeiert werden möchten“. Von Gruithuisen gibt es auch wunderbare Skizzen von skelettartig angelegten Städten, die er in einem Mondkrater entdeckt zu haben glaubte. All das legte die Vermutung nahe, dass die Mars- oder Venusbewohner uns ebenfalls sehen konnten. Und damit stellte sich die Frage, wie man mit ihnen kommunizieren könnte.

Die erste Antwort auf diese Frage erfolgte noch ganz im Sinne der Schiffbrüchigen. Der große deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777–1855) regte den Bau eines riesigen Spiegeltelegrafen an. Der von ihm entwickelte „Heliotrop“ konnte Sonnenlicht über große Entfernungen reflektieren und war zunächst für Vermessungszwecke vorgesehen. Ein Riesenheliotrop mit 100 Spiegeln sollte Lichtsignale „nach außen“ senden.

Aufmerksamen Marsianern zuzublinzeln

Es wäre ein Pendant zum Jantar Mantar in Jaipur, Indien, gewesen – einer gigantischen, aus 14 Gebäuden bestehenden Anlage für astronomische Messungen. Eine ähnliche Idee wurde ebenfalls Gauß – und dem österreichischen Astronomen Joseph von Littrow – zugeschrieben: der Bau eines riesigen, in geometrischen Figuren angelegten Kanals in der Sahara, den man mit Kerosin füllen und nachts in Brand stecken sollte, damit das Feuer dann auf dem Mars zu sehen wäre. Oder die Bepflanzung von Feldern in Sibirien in Form eines Hypotenusenquadrats, das so riesig dimensioniert sein sollte, dass es mit einem guten Teleskop von unserem Nachbarplaneten aus sichtbar wäre.

Im späten 19. Jahrhundert kam das elektrische Licht dazu: Der französische Astronom Camille Flammarion (1842–1925) dachte an eine Riesenfläche künstlichen Lichts in der Sahara, das aufscheinen sollte, wenn der Mars in der richtigen Position steht. Und sein Kollege Louis-Sébastien Mercier erwog sogar den Bau einer mit einem Riesenspiegel versehenen Elektrolampe mitten in Paris – passenderweise auf dem Champ de Mars.

Da damals jedoch schon der Bau des Eiffelturms viele Pariser in Rage versetzt hatte, rechnete Mercier mit einem gewissen Widerstand gegen eine Anlage, die so groß wie ein Stadion sein und das hellste Licht der Erde erzeugen sollte. Deshalb schlug er vor, zwei Spiegel auf einem Berg zu installieren, um das Licht der untergehenden Sonne auf die Schattenseite zu lenken, von wo es in Richtung Mars leuchten sollte, da es vor dem dunklen Hintergrund einen besseren Effekt erzielen würde.

Der US-amerikanische Physiker Robert W. Wood (1868–1955), ein bedeutender Forscher auf dem Gebiet der Wellenoptik und speziell des ultravioletten Lichts, schlug für die Wüste ein gigantisches Gebilde aus Fächern von schwarzem Stoff vor, die mithilfe eines Motors geöffnet und geschlossen werden könnten. Damit wollte er ein Netz von Lichtpunkten erzeugen, um aufmerksamen Marsianern sozusagen zuzublinzeln. Und der Russe Konstantin Ziolkowski (1857–1935), der große frühe Pionier der Raumfahrt, der an eine kosmische Zukunft der Menschheit glaubte, hatte noch mehr verspiegelte Flächen im Sinn. Wäre für die „Marsmanie“ der damaligen Jahrhundertwende etwas mehr Kapital verfügbar gewesen, hätten wir heute irgendwo auf einem Wüstenplateau vielleicht ein verlassenes Riesenfeld mit verstaubten, schräg gestellten Reflektoren, in denen sich der Himmel spiegelt – ein Monument der Leere und der Vergeblichkeit.

Was all diese frühen Ideen und Vorschläge gemeinsam hatten, war die Kombination aus naturwissenschaftlichem Pioniergeist und philosophischer Faulheit. Die ursprünglichen Ideen waren brillant. Sie lesen sich wie Anregungen für Land-Art-Projekte und minimalistische Skulpturen im Großformat, aber mit der Absicht, Beobachter in einer anderen Welt zu erreichen.

Sie sind älter als wir und kälter

Die gedankliche Faulheit ist offensichtlich: die Annahme, dass benachbarte Welten von Leuten bewohnt würden, die uns mehr oder weniger ähneln, und dass, sobald wir ihnen Beweise für unsere Existenz geliefert hätten, die bloße Gegenseitigkeit eine Art Konversation ermöglichen würde. Die Kommunikation würde wohl, wie Gauß annahm, mittels jener mathematischen Betrachtungen und Ideen beginnen, die wir und sie gemeinsam haben.

All diese Riesenanlagen von Spiegeln, die ganze Berghänge bedecken, sollten Kontakt mit Wesen herstellen, die uns nicht unähnlich, aber eben älter und kälter waren – und uns wahrscheinlich „weit überlegen“, wie Flammarion vermutete. Man fantasierte also über irgendwelche Super-Kants, die von ihrem Schreibtisch aus auf die Marskanäle blicken, hinter denen sich der höchste Berg des Mars, der Olympus Mons, erhebt.

Der Franzose Charles Cros (1842–1888) ist heute – wenn überhaupt – als Autor von entzückend frustrierenden Gedichten und als einer der Verlierer der Mediengeschichte bekannt. Er war ein Pionier der Farbfotografie und Erfinder eines Phonographen, wobei er jedoch beide Erfindungen mehr oder weniger gleichzeitig mit erfolgreicheren Projekten anderer anmeldete. Sein Phonograph mit dem wunderbaren Namen Paléophone („alte Stimme“) glich in vielerlei Hinsicht dem Zinnfolienphonographen, den Thomas Edison 1878 patentieren ließ. Cros war ein Schriftsteller, der abseitige Themen mit einem kryptisch-lakonischen Stil kombinierte. Neben seinen kommunikationstechnischen Tüfteleien und der absichtlich gescheiterten Verständigung mit seinen lesenden Mitmenschen fand er Zeit für eine Petition an die französische Regierung mit der Forderung, Kommunikationsversuche mit den Marsbewohnern zu finanzieren.

In seiner Schrift „Étude sur les moyens de communication avec les planètes“ griff Cros auf das inzwischen allseits anerkannte Grundprinzip eines riesigen Parabolspiegels zurück, der Lichtsignale in Richtung anderer Planeten aussenden sollte. Aber er ging einen Schritt weiter und warf die Frage auf, wie man Informationen übermitteln könnte, wenn die Kommunikationswege erst einmal eröffnet seien. Zunächst dachte er an eine Abfolge rhythmischer Lichtblitze, die kodierte Zahlen signalisieren, und daran, mittels dieser Zahlen auch Bilder zu übermitteln. Er zog in Betracht, dass eine Zahlenfolge binäre Bildpunkte – schwarze oder weiße – in Linien auf einem strukturierten Gitter übertragen könnte und dass man dafür eher ganze Zahlen verwenden sollte, als all die Signale einzeln zu blinken – das heißt beispielsweise, dass statt „6-1 2-0 3-1 1-0“ „XXXXXX00XXX0“ geblinkt würde.

Wer das heute liest, wird erkennen, dass Cros eine Version der Technik entwickelt hat, die wir heute Lauflängenkodierung nennen: eine Methode zur Kompression und Transmission von Bildern, wie wir sie von Faxgeräten, frühen Rastergrafiken und den ersten Fernsehtechnologien kennen. Cros brauchte für sein Vorhaben eine Kodierungsmethode, um Bilder – und potenziell andere Kommunikationsträger – in Material für seine Apparatur zu verwandeln. Als Vorbild dienten ihm dabei andere „analoge Notationsverfahren, um Muster als Zahlenfolgen wiederzugeben“, etwa jene von Web- und Stickereiapparaten. „Es ist ein ganzer Wissenschaftszweig, bei dem die Praxis der Theorie vorausging, was gar nicht so selten ist.“ So war etwa die numerisch kontrollierte Webmaschine von Joseph-Marie Jacquard (1752–1834) eine ausschlaggebende Inspiration für den mechanischen Computer von Charles Babbage. Und das Lochkartenverfahren von Herman Hollerith (1860–1929) war die Ausgangsbasis für die Entwicklung des modernen Computers – und für das Unternehmen IBM.

Verwandlung der Erde in Grafikkarten

Für Cros war „das Studium von Rhythmen“, also von Mustern und Kodifizierungsmethoden, „ein neuer und wichtiger Zweig der Mathematik“, der sich neben dem „Studium der Zahlen“ etablieren würde. Was wir hier sehen, ist mit anderen Worten ein Versuch, die Erde in Grafikkarten zu verwandeln und Algorithmen zu erstellen, die alle Bilder und letztlich auch andere Daten kodifizieren können, um sie zu übertragen und an anderer Stelle sichtbar zu machen.

In der Entwicklung technischer Kommunikation ist vor allem das Problem der Abstraktion, Kodifizierung und Kompression von Daten zu lösen, was sich im Grunde ganz ähnlich in der Entwicklung rechnergestützter Medien stellt. „Wir nennen das heute programmieren“, schrieb der englische Zoologe und Medizinstatistiker Lancelot Hogben im Jahr 1952.

Hogben stellte sich das Universum viel einsamer vor als all die Marsianerenthusiasten vor ihm. Er wusste, dass die Kommunikation mit extraterrestrischen Lebewesen ein langsamer Prozess sein würde und dass er wahrscheinlich über Radiowellen, die zu einem weit entfernten Stern gesendet werden, und nicht mittels elektrischer Lampen oder sibirischer Weizenfelder stattfinden würde.

Hogbens unbekümmerte, aber höchst elaborierte Idee einer Kommunikationssprache trug den Namen Astraglossa, wobei es sich eigentlich nicht um eine Sprache handelte, sondern um eine Analyse der Bedingungen für die Kommunikation mit einem nichtmenschlichen unbekannten Gegenüber. Nachdem er sich beruflich lange Zeit mit den hormonellen Signalen von Krallenfröschen, farbwechselfähigen Reptilien und Lurchen beschäftigt hatte, interessierte er sich nun für die kleinste Ordnung der Signalübertragung: „eine Technik, auf Dinge hinzuweisen“, beruhend auf Zeit, Zahl, Intervall, und Sternen.

Mithilfe einer rhythmischen Abfolge von Impulsen und Pausen wollte Hogben Addition, Subtraktion und Identifikation mitteilen. Auch traute er seinem System zu, Fragen anzudeuten. Sein Ehrgeiz beschränkte sich nicht darauf, einen „Monolog einfacher Aussagen“ zu produzieren, vielmehr wollte er einem tatsächlichen kommunikativen Austausch näher kommen. Dabei analysierte er spielerisch und sorgfältig zugleich die Möglichkeit, gewisse Pronomen (wie „euer“ und „unser“) einzuführen, aber auch Ausdrücke für Zustimmung und Ablehnung, Zweifel und Vorbehalte, Ursachen und Folgen. Er entwickelte sogar eine „überirdische“ Version von Schach.

Hogbens Ziel war eine „reziproke Kommunikation“ mit dem Unbekannten: etwa auf dieselbe Weise, wie „unsere neolithischen Vorfahren“ mit uns durch die Relikte von Zahlensymbolen und Kalendern aus eingekerbten Knochen und Pfeilersteinen kommunizieren konnten oder wie wir „Anweisungen an die neuen elektronischen Rechenmaschinen übermitteln“.

Hogbens Ansatz ist und bleibt der Rahmen für alle Bemühungen um möglichst eindeutige Kommunikation mit Außerirdischen. Aber für welche Inhalte? Wie steht es um die Substanz der Kommunikation mit nicht nur unbekannten, sondern auch unkennbaren Gesprächspartnern? Fast immer wird man einen Minimalbestand an Fakten übermitteln: ein Zahlensystem, einen Satz stellarer Koordinaten, ein paar chemische Fakten, eine menschliche Silhouette.

So hat auch der US-Astronom Frank Drake über das Radioteleskop von Arecibo in Puerto Rico 1974 eine Botschaft ausgesandt, die aus einer Serie von 1679 An- und Ausschaltimpulsen bestand. 1679 ist das Produkt der beiden Primzahlen 23 und 73. Arrangiert man die Signale zu einem Raster aus 23 Säulen und 73 Reihen, so entsteht daraus ein Bild. Wenn man das von oben nach unten liest, ergeben sich binäre Zahlen, die bestimmte Informationen enthalten: die Atomgewichte der wichtigsten chemischen Elemente und die chemische Zusammensetzung der DNA, Angaben über die Weltbevölkerung und über die physische Gestalt des Menschen, über unser Sonnensystem und schließlich über die Antenne selbst. Die meisten solcher Botschaften sind ähnlich aufgebaut: Ihr Informationsgehalt ist notgedrungen gering, und sie konzentrieren sich vor allem auf die Struktur der Entzifferungsmethoden.

Aber selbst beim Aussenden minimaler Signale zu weit entfernten und stummen Sternen gilt aller Ehrgeiz dem Ziel, die Kapazitäten dieser Kommunikation zu erweitern. Ein wahrhaft exzentrisches intellektuelles Projekt des 20. Jahrhunderts ist die Entwicklung einer „Lingua Cosmica“, abgekürzt Lincos. Mit ihr wollte der niederländische Mathematiker Hans Freudenthal „die Gesamtmenge unseres Wissens“ in eine Form bringen, in der sie jedem intelligenten Lebewesen vermittelbar ist. Sein Entwurf einer „kosmischen Sprache“, von dem nur der erste Band erschienen ist, verdient einen Ehrenplatz in der Sammlung visionärer und bizarrer Dokumente. Der US-Amerikaner Marvin Minsky, der große Erforscher der künstlichen Intelligenz (und Berater von Stanley Kubrick bei der Produktion des Filmes „2001: Odyssee im Weltraum“) schrieb über Freudenthal und sein Lincos-Projekt: „Er beginnt mit elementarer Mathematik und zeigt auf, wie viele andere Vorstellungen, einschließlich sozialer Ideen, auf diesem Fundament errichtet werden könnten.“

Es handelt sich um eine „Sprache“, die mit piepsenden Radioimpulsen zur Übermittlung natürlicher Zahlen anfängt und mit der relativistischen Mechanik von Albert Einstein endet. Hinzu kommt die Darstellung der Mengenlehre, Aussagen wie: „Zukünftige Ereignisse sind nicht vorhersehbar“, eine „kurze Geschichte des Großen Fermat’schen Satzes“, „Beispiele für höfliche Rede“, eine Beschreibung von Wetten und Glücksspielen und vieles mehr. All diese Darstellungen sind in einer immer komplexer werdenden Zeichensprache abgefasst, die ihre mögliche Übermittlung durch Radioimpulse abbildet.

Jenseits der Basiselemente, die in irgendeiner Form bei jedem Übertragungskonzept auftauchen (Zahlen, räumliche Koordinaten, zeitliche Abfolgen, mathematische Grundrechenarten), hatte Freudenthal – wie schon Hogben – ein weitaus ehrgeizigeres Ziel. Er ersann eine Reihe menschlicher Akteure, mit denen er eine ganze Serie logisch-minimalistischer Dialogszenen gestaltete. Mithilfe der zwei Personen namens Ha und Hb erzählt Freudenthal – durchweg in seiner eigenen Zeichensprache – Geschichten über die Natur der Welt und speziell über die Grunderfahrungen des Menschen.

Ha und Hb simulieren das Leben der Menschen

Zum Beispiel: Ha wirft einen Ball weiter, als er für Hb zu fangen ist. Oder: Hb weiß etwas, aber sagt es nicht, was heißt, dass Ha es nicht weiß; Ha kann zu raten versuchen, was das ist, was Hb weiß. Oder: Ha und Hb wissen, was in der Vergangenheit geschehen ist, aber nicht, was in Zukunft geschehen wird, und sie wetten über die Frage, was passieren wird. Oder: Ha hat etwas nicht gesehen und fragt Hb danach.

Die beiden Figuren leben gemeinsam in einer Welt, in der es noch viele andere Dinge gibt, mit denen sie aber nicht auf dieselbe Weise kommunizieren können, obwohl diese Dinge ebenfalls in der Lage sind, zu sehen, zu hören, sich zu bewegen, die Vergangenheit zu kennen und einen Ball zu fangen. Und Ha und Hb können sterben wie all die anderen Dinge, mit denen sie ihre Welt teilen. Ha und Hb können wünschen, dass die Welt anders aussieht, als sie ist. Und wenn einer von ihnen stirbt, können sie nicht mehr miteinander reden.

Es würdigt die Freudenthal’sche Errungenschaft – das menschliche Leben im Universum in totalisierter Form durch ein Grundmuster elektromagnetischer Signale auszudrücken – keinesfalls herab, infrage zu stellen, ob sie für den ursprünglichen Zweck geeignet sind. Schließlich ist das nächste mögliche Leben räumlich so weit entfernt, dass jedes Mal Jahre oder Jahrzehnte vergehen würden, bis ein Gegensignal zeigen könnte, ob die Botschaft empfangen und verstanden wurde.

Freudenthal entwickelt einige Dialogszenen in Hunderten von Einzelschritten, von denen viele einer Bestätigung bedürfen. Allein dieses Hin und Her würde das Ganze zu einem Jahrtausendprojekt machen. Was Freudenthal geschafft hat, nämlich die Eigenschaften und Verhaltensweisen von Menschen darzustellen, entspricht viel eher den Erfordernissen einer Kommunikation nicht mit Außerirdischen, sondern mit Maschinen. Seine erstaunlichen Lehrstücke taugen also weniger dazu, an das Lichtjahre entfernte Sternsystem Alpha Centauri gesendet zu werden, als vielmehr dazu, die Befindlichkeiten des Menschen einem Empfänger zu vermitteln, der lediglich über ein Gedächtnis und den Input einer sehr begrenzten Menge an elektromagnetischen Symbolen verfügt.

Kein Wunder, dass Marvin Minsky, der das erste künstliche neuronale Netz konstruiert hat, auf Freudenthal und seine Forschungen abgefahren ist. Dessen Ideen zielten auf die Sterne, um am Ende im Labor für Künstliche Intelligenz am Massachusetts Institute of Technology in Boston zu landen, wo Minsky Grundlagenforschung betrieb.

Und doch haben wir es tatsächlich geschafft, eine Verbindung mit einem fremden Planeten aufzubauen. Aber diesen Planeten haben wir selbst erschaffen, und wir tun alles, um ihn zu erhalten. Wir lehren seine Bewohner, ihre Welt räumlich zu erfassen, Geheimnisse zu bewahren, Gesichter zu erkennen, Stimmen zu hören, zu komprimieren und zu filtern, Konversation zu führen und eine breite Skala elektromagnetischer Strahlen zu interpretieren, die weit über simple Radiowellen und das Lichtspektrum hinausreicht. Und das alles mithilfe binärer Impulse und logischer Verfahren sowie Ver- und Entschlüsselungstechniken.

Der kommerzielle und der private Austausch von Informationen vollzieht sich in unserer eigenen Welt, auf dieser Erde, über ein dichtes Netz von Marskanälen, die wir im Lauf der letzten 60 Jahre gegraben haben. Dieses Netz besteht aus Unterseekabeln, Serverfarmen und Mobilfunkmasten, aus Computern in Hosentaschen, auf Tischen, in Schuhen und in Körpern. Das normalste Lebewesen auf unserer Insel ist mittlerweile der nichtmenschliche Gesprächspartner mit fremder Adresse: Wir reagieren auf automatisierte Warnsignale, sprechen mit einem Kundenservice, der mit automatischer Spracherkennung arbeitet, wir lösen Captchas, um uns bei Facebook einzuloggen, um dort unsere algorithmisch sortierte Timeline zu sehen. Und rund um diese von uns geschaffene Insel liegt das Wogen und Schweigen des endlosen Ozeans.

Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

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