Drogen aus dem Saftladen: Voll auf Kohlpalme
Riologie
Aus Ipanema
Markus Völker
Die Arbeit schlaucht. Wir brauchen Futter. Wenn der Magen also mal wieder knurrt, dann gehen wir einfach runter in den Saftladen. So nennen wir den Imbiss „Pin Pin“ in Ipanema in der Rua Vinícius de Moraes.
Im Saftladen kennen uns die Jungs schon, weil wir manchmal zweimal täglich auftauchen und Kalorien tanken. Ganz oben auf unserer Liste steht so eine Art Sorbet, das sich Açaí nennt. Schmeckt köstlich nach Heidelbeere, es handelt sich aber um Früchte der Kohlpalme.
Açaí soll tierisch gesund sein, wegen der vielen Antioxidantien. Oprah Winfrey ernährt sich nur noch davon. Angeblich macht es schlank und stimuliert auf gewisse Weise. Wenn man Winfrey anschaut, dann ist das wohl nur die halbe Wahrheit. Açaí ist jedenfalls unser Dopingmittel Nummer eins. Oral eingenommen in der Dosis von 300 Millilitern, lässt es uns Texte sonder Zahl für die Heimatredaktion schreiben. Noch ein Aufmacher? Kein Problem für Kohlpalmen-Junkies.
Der Saftladen heißt natürlich Saftladen, weil es dort Säfte gibt. Acerola, Mango, Maracuja – sowas. Keine Frage, hier könnte man sich gesund ernähren. Am späten Abend aber, wenn wir schnell irgendwo billig essen gehen, ist das eher nicht drin, denn in Rio reicht man zu stark gesalzenem Fleisch gern eine Beilage mit Beilage und noch einer Beilage obendrauf, also Reis mit Bohnen plus Maniokmehl als Sättigungssurplus.
Unter Salat versteht man ein welkes Blatt mit einer Scheibe Wassertomate. Mit der Steinzeitdiät, diversen Lebensmittelunverträglichkeiten und Veganismus hat man es hier eher nicht so, was biodeutsche Gemüter leicht verstören kann. Hier isst man, als würde man den ganzen Tag einen Kraftdreikampf am Strand veranstalten.
In Rio wird auch kein Nachhaltigkeitsdiskurs geführt wie in den Etepetete-Vierteln in Prenzlauer Berg, hier wird beim Supermarkteinkauf jedes Teil einzeln in eine Plastiktüte gepackt – und man hat Spaß dabei. Wenn das Tütenzeug lästig wird, verklappt man es einfach in der Guanabara-Bucht. Sollen sich doch die olympischen Segler drum kümmern.
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