Mit Salatöl durch NRW cruisen

Vier riesige Raps-Anlagen in Nordrhein-Westfalen produzieren den Treibstoff der Zukunft: Autos können mit dem Öl der gelben Pflanze umweltfreundlich fahren. Bisher müssen FahrerInnen allerdings einige Strapazen auf sich nehmen

aus NEUSS LUTZ DEBUS

An einem Hafenbecken in Neuss ragen riesige, silberne, dampfende Kessel in den Himmel. Es riecht nach frisch frittierten Pommes der eher unteren Preisklasse. Tanklastzüge stehen Schlange vor der Abfüllanlage, warten auf den goldfarbenen Treibstoff aus Raps. Die „Rheinischen Bioester“ ist eine von vier Anlagen in ganz NRW, in denen Rapsöl zu Biodiesel verarbeitet wird. Durch den Zusatz von Alkohol wird die Konsistenz des Öls so verändert, dass es als Kraftstoff eingesetzt werden kann. Trotz der Aufstockung der Kapazität in diesem Jahr von 150.000 auf 200.000 Tonnen ist die Anlage in Neuss völlig ausgelastet. Eine Erweiterung der Produktion um weitere 150.000 Tonnen, so Artur Pelka von der Rheinischen Bioester, sei für das kommende Jahr geplant.

In einigen Zeitungen war vor Tagen schon zu lesen, dass es in Deutschland Versorgungsengpässe beim Biodiesel gebe. Norbert Allnoch vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien in Münster, erklärt die Ursache. „Seit Anfang des Jahres darf in herkömmliches Diesel 5 Prozent Biodiesel beigemischt werden. Die großen Konzerne machen zunehmend von dieser Möglichkeit Gebrauch.“ So könne der gesamte heimische Raps bald unauffällig seinen Weg in normale Dieselfahrzeuge finden.

Nach wie vor ist nämlich Biodiesel pur nicht unproblematisch. Norbert Allnoch selbst habe früher immer Biodiesel getankt. Dann allerdings leckte die Einspritzpumpe seines Autos. Die in manchen Biodieselarten enthaltenen Zusatzstoffe können das Dichtungsmaterial im PKW angreifen. Und neue Dieselfahrzeuge sind oft für den Gebrauch von Biodiesel ungeeignet. Denn die Partikelfilter vertragen sich nicht mit dem nachwachsenden Treibstoff. Ironie des Schicksals: Bei der Verbrennung von Rapsöl fallen viel weniger Feinstäube an. Die Partikel sind größer und für den Menschen weniger gefährlich.

Unproblematischer war im Frühjahr die Fortbewegung für die damalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). Sie ließ ihren Wahlkampfbus für 2.000 Euro umrüsten. Nicht mit Biodiesel, sondern mit Salatöl fuhr sie durchs Land. Publikumswirksam kaufte sie ihren Treibstoff aus dem Supermarktregal, für 60 Cent den Liter. Salatöl bereite, so Norbert Allnoch, zwar keine Probleme mit den Dichtungen. Dafür sei die Handhabung der Ölautos nicht einfach. Man müsse zunächst einige Zeit mit normalem Diesel fahren, bis sich das Öl ausreichend erwärmt habe. Dann könne man auf den Treibstoff aus der Küche umschalten. Ein flächendeckendes Vertriebsnetz, wie es inzwischen beim Biodiesel existiert, gibt es für reines Rapsöl noch nicht. Da bleibt nur das Ölfass mit Handpumpe in der Garage. Für normale, also bequeme Autofahrer, sieht Allnoch darin keine Alternative. Nur technisch und ökologisch interessierte Menschen nähmen solche Strapazen in Kauf. Dabei kann sich die Ökobilanz des Diesels aus Raps durchaus sehen lassen. Es wird bei der Verbrennung etwa die gleiche Menge an Kohlendioxid freigesetzt, wie zuvor durch das Wachstum der Pflanzen der Atmosphäre entzogen wurde. Schwefel enthält der Kraftstoff nicht. Und er ist kein Gefahrgut, also in der niedrigsten Wassergefährdungsklasse eingestuft. So können forstwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge sogar in Wasserschutzgebieten bedenkenlos umherfahren. Besonders einträglich ist der Anbau des Raps durch die Landwirte. So können sie Flächen nutzen, die sie für den Anbau von Lebensmitteln nach EU-Verordnung still legen mussten. Allerdings prophezeien Experten mittlerweile auch beim Raps ein Ende des Wachstums. So bleibt der Branche vielleicht nur die Hoffnung auf das Ausland. Eine Abhängigkeit von großen Agrarländern wie Polen, Rußland oder der Ukraine erscheint doch etwas harmloser als von den bekannten Petro-Öl-Ländern.

In Neuss besichtigte vor einigen Wochen eine Delegation aus Südamerika die Rheinischen Bioester. Man war begeistert. Werden bald in Kolumbien etwa ehemalige Kokafelder zitronengelb blühen?