Hemmschwelle beim Schuldenmachen sinkt

Bonner Schüler sollen als „Finanzscouts“ ihre Altersgenossen vor dem Schuldenmachen bewahren. Denn immer öfter geraten schon Jugendliche und junge Erwachsene in die Schuldenfalle – vor allem durch die unverzichtbaren Handys

KÖLN taz ■ Handys, Markenklamotten, Ausgehen, Autos: Es gibt viele Wege, wie Jugendliche und junge Erwachsene ihr Geld loswerden können – auch solches, das sie gar nicht haben. Dem zunehmenden Problem der Verschuldung von jungen Menschen versucht man in Bonn jetzt mit einem bundesweit einmaligen Projekt zu begegnen: Das Gustav-Stresemann-Institut, eine gemeinnützige Bildungseinrichtung, hat 17 Schüler zu so genannten „Finanzscouts“ ausgebildet. Ab kommender Woche werden die jungen Experten in Bonner Schulen ihren Altersgenossen den richtigen Umgang mit dem Geld beibringen.

Das ist offensichtlich bitter nötig: Nach einer aktuellen Umfrage des privaten Münchner Instituts für Jugendforschung zur Finanzkraft von 13- bis 17-Jährigen sind in diesem wie im vorigen Jahr 12 Prozent dieser Altersgruppe verschuldet – vor allem bei Eltern und Freunden. Die meisten Schulden werden laut Studie beim abendlichen Ausgehen gemacht (27 Prozent), für Kleidung (12 Prozent) oder für Ausgaben rund ums Handy (14 Prozent). Zwar ist die durchschnittliche Verschuldung mit 60 Euro nicht besonders hoch: Aber wer sich mit 15 daran gewöhnt habe, Geld zu leihen, komme als Erwachsener eher in die Bedrouille, weiß Heiko Michelhaus, Pädagoge der NRW-Verbraucherzentrale. „Die Hemmschwelle beim Schuldenmachen scheint zu sinken, auch von den Eltern wird vorgelebt, dass Geld keine Rolle spielt.“

Mit der vollen Geschäftsfähigkeit ab 18 Jahren stiegen die Schulden durch Mobilfunkverträge, Auto- und Möbelkauf auf Raten oder durch überzogene Dispo-Kredite dann schnell in vier- oder gar fünfstellige Höhe, so Michelhaus. „Gerade Handyverträge sind die perfekte Möglichkeit sich zu verschulden.“ Viele machten außerdem den Fehler, die Schulden durch Schulden zu bezahlen – „mit den berüchtigten Kleinkrediten“. Dies höre er immer wieder von den örtlichen Schuldenberatern der Verbraucherzentralen. Auch bei der SCHUFA sind die 20- bis 24-Jährigen als besonders säumige Schuldner bekannt: 10,2 Prozent der Altersgruppe hatten 2004 einen negativen SCHUFA-Eintrag; unter allen Erwachsenen waren es „nur“ 6,8 Prozent.

Die Bonner Finanzscouts sollen das Problem nun an der Wurzel packen, indem sie Jugendliche über die gängigen Wege in die Schuldenfalle aufklären – „auf Augenhöhe“. Dass die Schüler-Experten ihre Altersgenossen besser ansprechen können als Erwachsene, davon ist Gitta Geißler, die Erfinderin der Finanzscouts beim Gustav-Stresemann-Institut, überzeugt. Schließlich hätten die Schüler des Bonner Friedrich-List-Berufskollegs die Konzepte zur medialen Umsetzung des Themas selbst entwickelt. „Einige Scouts kennen das Problem auch aus eigener Erfahrung“, so Geißler.

Ein neues Präventionsprojekt in Punkto Verschuldung gibt es seit kurzem auch im Kölner Amt für Diakonie. Zwei Pädagoginnen geben bei Bedarf Workshops in Schulen oder Jugendeinrichtungen. Am Montag etwa kamen die beiden Experten mit dem Thema „Taschengeld und Konsumwünsche“ in die Offene Tür (OT) in Köln-Nippes. Für die stellvertretende Leiterin der OT, Pervin Erçek-Haliloglou, ist vor allem die Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Möglichkeiten der Jugendlichen auffällig. „Wer nicht alle paar Monate das neuste Handy hat, ist uncool.“ Gleichzeitig bekämen viele Kinder aus sozial schwachen Familien nicht einmal regelmäßig Taschengeld. Einige könnten sich zwar durch Nebenjobs etwas verdienen. „Aber viele haben gar keine Erfahrung im Umgang mit Geld“, so Erçek-Haliloglou. „Ich kenne einen Jungen im dritten Ausbildungsjahr, der hat schon 30.000 Euro Schulden.“ SUSANNE GANNOTT