„Høllekyn gen 47°“

Meret Becker mit theatralen Liederabend im Schlachthof

Kurz und überflüssig wirkt die Stille vor dem Tod, das Leben. Solch Traurigkeit ist allerdings auch aller Kreativität Anfang. So frischt Meret Becker dieses gut abgehangene Gefühl mit ein wenig Musik auf, durchwirbelt feengleich die bedeutungsvolle Düsternis. Ob die gebürtige Bremerin dabei Flamenco, Blues, Klezmer, Country, Walzer, Polka, Tango oder Townes van Zandt-Bitterkeit singspielt, ob deutsch, dänisch, finnisch, englisch, französisch gesungen wird, das Disperate der Klangassoziationen verschmilzt zu einer einheitlichen Stimmungscollage.

„Høllekyn gen 47°“ ist das Programm betitelt. Høllekyn bedeutet so viel wie „Prost“; 47° ist jener Winkel, in dem sich Helsinki zu Bremen befindet. Damit ist die Richtung angezeigt, in der der Melancholie nachgespürt wird: Finnland als Metapher trunkener Schwermut, die von zwei Ars-Vitalis-Musikern mit fein tönenden Turbulenzen umspielt wird.

Wenn Becker im weißen Sommerkleid das karelische „Ljuuli“ singt, wächst ihr (per Videoanimation) ein Elchgeweih aus dem Trotzkopf. Ansonsten zaubern Discokugeln finnische Mückenschwärme in den Saal. Ihren bekannten „Ach, was bin ich verrückt!“-Tatendrang nimmt Becker deutlich zurück, feiert die Skurrilität der fragilen Arrangements mit der Leichtigkeit spielerischer Virtuosität. Jedes Lied ein Unikat, ein eigenwilliges Hörspielereignis von verzweifelter Putzmunterkeit. fis