Explosive Pinguine

Victor Benno Meyer-Rochow hat die erste „Nobel“ im Namen führende Auszeichnung nach Bremen geholt

Prof. Dr. Dr. Victor Benno Meyer-Rochow von der International University Bremen gehört zu den gerade gekürten Trägern des „Ig Nobelpreis“ 2005, eine Trophäe für Forschungen, die „nicht wiederholt werden können oder besser nicht sollten“. Immerhin wird sie von „echten“ Nobelpreisträgern überreicht – in dieser Kategorie hat Bremen bisher noch überhaupt niemanden vorzuweisen. Meyer-Rochow hat erforscht, wie Pinguine ihre Ausscheidungen bis zu durchschnittlich 40 Zentimeter weit herausschießen können.

taz: Um Ihre Arbeit zu berücksichtigen, wurde von der Jury eigens die Kategorie „Dynamik der Flüssigkeiten“ eingeführt. Fühlen Sie sich dadurch geehrt oder eher auf den Arm genommen?

Das ist eine große Ehre! Was glauben Sie, wie viele Anfragen wir jetzt weltweit bekommen. Es geht ja um Forschung, die zunächst mit einem Schmunzeln daherkommt, bevor man ihre Seriosität erkennt.

Ihre Mitpreisträger haben Hundehoden-Prothesen und sich versteckende Wecker entwickelt.

So ein Wecker ist doch gut, oder? Außerdem können daraus andere Spin offs entstehen. Man wird ja nicht Wissenschaftler wegen irgendwelcher toller Preise, sondern weil man Spaß daran hat. Die Welt ist voller spannender Phänomene!

Angeblich interessieren sich bereits afrikanische Ingenieure für Ihre Forschung. Sie wollen Probleme mit Geiern lösen, die durch ihre Ausscheidungen Kurzschlüsse in der Stromversorgung verursachen. Gibt es weitere Nutzanwendungen?

Überall dort, wo es um viskose Flüssigkeiten geht, die durch enge Rohre gepresst werden und am Schluss durch eine Düse austreten. Letztendlich ist das das Gleiche bei Blut, Harn oder bei Ejakulationen. Außerdem gibt es Paläontologen, die unsere Berechnungen nutzen, um Ausscheidungen in der Umgebung von Sauriernestern zuzuordnen. Zoodirektoren wollen die Sicherheitsabstände für Besucher anders definieren und Mediziner den menschlichen Darmdruck neu vermessen.

Der Pinguindarm bringt es mit 0,6 bar auf den Druck eines Autoreifens. Ist das Rekord im Tierreich, proportional zu Gewicht und Körpergröße der Konkurrenz?

Ich könnte mir vorstellen, dass Geier und andere Greifvögel, also Fleischfresser, es auf noch höhere Drucke bringen.

Auch von Nilpferden ist bekannt, dass sie ihre Exkremente mit Hilfe des propellerartig rotierenden Schwanzes möglichst weit streuen. Geht es den Tieren dabei letztendlich um männliches Imponiergehabe?

Bei Pinguinen gilt: Alle schaffen es gleich weit.

Ein bisschen erinnert das Ganze auch an Kirschkern-Weitspucken.

Den Pinguinen geht es aber nicht ums Spielen, sondern um den harten Überlebenskampf – die stehlen sich gegenseitig die Steine aus den Nestern. Und der Weitschuss soll verhindern, dass das Gefieder verschmutzt.

Sie gelten als weltenbummelnder Wissenschaftler, der auch mal bei der Queen zum Tee vorbeikommt. Haben Sie Ihr dabei von den Fähigkeiten der Pinguine erzählt?

Wir hatten Lunch mit ihr, als wir von der ersten – und bisher einzigen – jamaikanischen Antarktisexpedition zurück kamen, die ich geleitet habe. Dabei hat sie in der Tat gefragt, was wir in der Antarktis machen. Und ob es da nicht fürchterlich kalt sei.

Was erforschen Sie eigentlich sonst so?

Morgen fahre ich nach Korea zu einer Konferenz und dann im Januar nach Japan, wo wir das Anhaftephänomen von Fliegenfüßen unter bestimmten Lichtbedingungen untersuchen. Das klingt vielleicht auch witzig, aber letztendlich geht es dabei um die Überschneidungen von Sehnerven im Gehirn und die Kontrolle von Beinmuskulatur.

Interview: Henning Bleyl