neues aus neuseeland: frauenrevolte im knast von ANKE RICHTER
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Leicht ist es nicht, in einem politisch korrekten Land zu leben. Eigentlich kann man nur alles falsch machen. Vor allem, wenn man als Feministin in einer Institution arbeitet, wo Bikultur von oben verordnet wird.

Josie Bullock, Bewährungshelferin aus Auckland, war zu einem „Poroporoaki“ eingeladen: Eine Gruppe von Strafgefangenen hatte erfolgreich einen Gewaltpräventionskurs absolviert. Ein „Poroporoaki“ ist eine rituelle Verabschiedungszeremonie der Maori und im Zuge des neu erwachten Eingeborenenbewusstseins auch an Universitäten, Büchereien und anderen staatstragenden Einrichtungen beliebt. Meist verstehen die wenigsten auch nur ein einziges Wort der Maori-Sprache, was nicht weiter stört, weil das Ganze wichtig ist, um historisches Unrecht auszugleichen.

Als Bullock sich zu Beginn des Termins vorne neben ihre Kollegen setzen wollte, hieß es: Sorry – Frauen ab nach hinten. Für jeden, der schon mal ein Marae – das Versammlungshaus der Maori – besucht hat, ist diese Sitzordnung nichts Neues. Und auch nicht zutiefst schockierend, es sei denn, man hat diesen Planeten bisher für einen Hort des Matriarchats gehalten. Denn was für Moscheen, Synagogen, den Vatikan und noch so einige andere Behausungen zwischen Afrika und Anchorage gilt, ist auch traditionellen Maori von je her lieb und heilig.

Für Josie Bullock jedoch hörte beim Stuhl der Spaß auf. Sie beschwerte sich bei ihrem Arbeitgeber, der Gefängnisbehörde. Sexistisch sei diese Zeremonie, die von ihr verlange, hinter den Männern zu sitzen. In einer Behörde, in der das Recht auf Gleichberechtigung herrsche, gehöre solch chauvinistischer Kulturklimbim verboten. Nicht zuletzt verkläre die Maori-Tradition Kämpfe, Kriegertum und Blutvergießen – sei das etwa der passende Rahmen, um ehemalige Gewaltverbrecher zurück in die Zivilisation zu entlassen?

Bullocks Chefs sahen das anders und kündigten der aufmüpfigen Justizangestellten auf der Stelle. Das rief etliche Politiker auf den Plan: Schluss mit dem politisch korrekten Unsinn – Freiheit für alle Ethno-Verächter! Aus der störrischen Bewährungshelferin, die sich auch weigerte, die bei Maori-Treffen üblichen Gebete zu sprechen, ist eine Ikone von Rednecks und Liberalen geworden. Immer weniger Neuseeländer wollen sich die Begeisterung für Stammestänze, Seegeister, Mythen und Maori-Musik vorschreiben lassen.

Während Jodie Bullock auf eine Entscheidung der staatlichen Menschenrechtskommission wartet, legt sich nach dem Mord an einer deutschen Rucksacktouristin vor drei Wochen schon wieder ein Schleier auf das polierte Grün von Kiwi Country: Das Auto eines kanadischen Ehepaares wurde leer geraubt. Mit den Koffern verschwand leider auch eine kleine Urne, in der die Asche ihrer kürzlich verstorbenen Zwillinge ruhte. Die trauernden Touristen hatten Glück im Unglück: Der Dieb, von Augenzeugen als Maori oder Polynesier beschrieben, deponierte den Porzellanbehälter kurz darauf an einer Kirche. Da möge, wer wolle, noch so sehr gegen bikulturelle Zwangsmaßnahmen wettern – aber wenn man als Ureinwohner keinen Respekt vor Frauen eingeimpft bekommt, dann zumindest Respekt vor den Toten.