Berliner Szenen: Nackt in Berlin
Das Flirren der Stadt
Sie haben die Kamele nackig gemacht. Im Gehege in der Hasenheide. Ich vermute mal wegen der Hitze. Nur ein paar Puschel haben die Scherer unmotiviert stehen gelassen – einen an der rechten Flanke und einen am Knie des kleineren Trampeltiers.
Die nackten Kamele sind cool damit. Sie verstecken sich nicht, sondern staksen selbstbewusst und lässig durchs Gehege. Ganz anders sieht es an unseren Badeseen aus. Die Verrenkungskünste beim Umziehen, um zu verhindern, dass jemand auch nur einen Puschel sieht, nehmen immer neue Dimensionen an.
Der in den 1980ern Sozialisierte fragt sich schon, woher dieser Backlash in die 1950er nun kommt – ob das an einer Globalisierung der Badesitten liegt oder ob denen religiöse Fundamentalisten ins Hirn geschissen haben.
Na gut, soll natürlich jedes machen, wie es will – solange dieser Unsinn nicht zur Vorschrift wird. Doch dass es auch anders geht, beweist die litauische Putzhilfe einer Bekannten. Letztere hatte Besuch aus Düsseldorf oder so, jedenfalls vom Land. Als sie mit ihnen zusammen die Koffer hochbringen wollte, sah sie beim Betreten der Wohnung, wie die treue Putzkraft oben ohne, nur mit Strumpfhose und Slip bekleidet, ihrer Arbeit nachging. Vermutlich wegen der Hitze. Und da sie gerade staubsaugte, bemerkte sie die Bekannte nicht. Sie habe, so die Bekannte weiter, ihren Besuchern daraufhin bedeutet, doch lieber draußen zu bleiben, stellte die Koffer selber leise in den Flur und verschwand, von der emsigen Nacktputzerin weiterhin unbemerkt.
Und das ist es, was ich nicht verstehe. Schließlich kommen die Leute ja nicht oft nach Berlin. Da wollen sie doch bestimmt gern mehr davon mitbekommen, wie diese flirrende Metropole denn so tickt.
Uli Hannemann
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