Schwere Terroranschläge im Osten. PKK unter Verdacht

Türkei Leidtragende der Bombenattacken könnte die linke kurdische Partei HDP sein

Die Repressionswelle gegen die Kurden ist in vollem Gange

ISTANBUL taz | Die PKK meldet sich zurück. In der Nacht ein Anschlag in Van mit drei Toten, dann am Donnerstagmorgen ein Autobombenanschlag in Elâzığ. Nachdem bereits in der Vorwoche acht Menschen bei Anschlägen der PKK starben, bombt die kurdische Guerilla sich wieder in die türkischen Schlagzeilen zurück.

Vor allem der gestrige Anschlag in Elâzığ war ein Fanal. Die durch einen Selbstmordattentäter gezündete Autobombe war so stark, dass über der ganzen Stadt noch Minuten später ein Rauchpilz stand. Es scheint wie ein Wunder, dass bei dem Anschlag auf das Polizeihauptquartier der Stadt nur drei Menschen getötet wurden, allerdings gibt es 170 teils schwer Verletzte. Der Anschlag verstörte auch deshalb das Land, weil die Stadt Elâzığ außerhalb der kurdischen Kerngebiete liegt und bislang von den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat kaum betroffen war.

Sowohl Ministerpräsident Binali Yıldırım als auch General­stabschef Hulusi Akar und Innenminister Efkan Ala eilten an den Tatort, um die Anschläge zu verdammen. Obwohl sich die PKK noch nicht offiziell dazu bekannt hat, spricht doch alles für ihre Urheberschaft, insbesondere in Bezug auf die Ziele sowie auch die Durchführung der Attentate mit Autobomben gegen Polizeistationen.

Die Organisation hatte nach dem Putschversuch am 15. Juli knapp zwei Wochen stillgehalten in der Erwartung, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan die durch die Festnahme vieler Generäle der im Osten stationierten II. Armee veränderte Situation zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen nutzen würde.

Die Regierung reagiert auf die PKK-Offensive mit einer neuen Repressionswelle gegen politisch aktive Kurden. So wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die beiden HDP-Vorsitzenden Selahattin De­mir­taş und Figen Yüksekdağ erhoben hat. Dann verkündete ein Istanbuler Gericht, dass die prokurdische Tageszeitung Özgür Gündem geschlossen wird, und vor zwei Tagen wurden dann 24 Redakteure und weitere Autoren aus dem Umfeld der Zeitung verhaftet, darunter die prominente Schriftstellerin Aslı Erdoğan.

Die Anschläge der PKK treffen nun auf eine insoweit veränderte politische Situation, als dass sich nach dem gescheiterten Putschversuch die regierende AKP mit Ministerpräsident Yıldırım an der Spitze den beiden Oppositionsparteien CHP und MHP stark angenähert hat und alle drei nun von einer neuen politischen und sozialen Einheit im Lande sprechen, exklusiv der links-­kurdischen HDP. Die HDP dürfte deshalb die größte Leidtragende der neuen Kampagne der PKK sein.

Jürgen Gottschlich