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Bermudadreieck für die Beine

ELECTRO CHAABI Der ägyptische Musiker Islam Chipsy und seine Band EEK sorgen beim Festival „Foreign Affairs“ im Haus der Berliner Festspiele für ekstatisches Tanzen

VON Elias Kreuzmair

Das Prinzip ist simpel: ein kontemplativer Auftakt, nicht länger als anderthalb Minuten, die stetige Wiederholung einer schnellen Tonfolge mit den Fingern der rechten Hand, dann rutscht die linke Hand die Keyboard-Tastatur auf und ab, während zwei Schlagzeuger den Track nach vorne peitschen. So vollführen Islam Chipsy seine Band EEK aus Kairo ihren aufgedrehten Electro-Chaabi-Sound.

Keyboarder Chipsy und die Drummer Khaled Mando und Islam Tata haben ihr Handwerk auf Hochzeiten gelernt. In den Kairoer Vorstädten hat sich eine Kombination aus folkiger Tanzmusik und elektronischen Klängen herausgebildet, die unter dem Namen Electro-Chaabi bekannt wurde. Dieser irre Sound hat nur einen Auftrag: Möglichst schnell alle Anwesenden auf die Beine zu bringen: Party!

Ein Lob des abwechslungsreichen Programms: In Kombination mit Jarvis Cocker und dem Junge Berliner Sinfonieorchester, die den Highbrow-Teil beisteuerten, dem Performance-Art-Kollektiv The Brother Moves On, das für street credibility zuständig war, und der Folk-Sängerin Mirel Wagner, die die Erdung übernahm, oblag den Ägyptern beim Performing-Arts-Festival „Foreign Affairs“ die Aufgabe, den Party-Motor anzuwerfen.

Für diesen Zweck ist die Seitenbühne des Hauses der Berliner Festspiele allerdings nicht der ideale Ort: Die Hälfte des Raums ist durch eine Zuschauertribüne verstellt, zwei Drittel der restlichen Fläche nimmt die Bühne ein, auf der die Band steht. Dazwischen ein schmaler Streifen zum Tanzen. Der reicht zunächst auch aus. Viele ZuhörerInnen verirren sich nicht in die Seitenbühne. Das ist wohl der Tatsache geschuldet, dass Islam Chipsy & EEK erst ein Album auf dem algerisch-ägyptischen Label Nashazphone veröffentlicht haben. Das ist jedoch nicht weiter wichtig für den Abend im Haus der Berliner Festspiele: Ihre Stärke liegt eindeutig bei ihrer Bühnenpräsenz, die auch auf YouTube dokumentiert sind. Unter Connaisseuren elektronischer Popmusik genießen sie Kultstatus.

Denn der Sound der Formation hat – den widrigen Bedingungen zum Trotz – eine nicht zu leugnende Wirkung: Alle ZuschauerInnen fangen unmittelbar nach Betreten des Saales zu tanzen an. Die drei Musiker auf der Bühne bilden ein Bermudadreieck, dem niemand entrinnt. Die Tänzer werden vom Sound regelrecht eingesogen, tanzen ekstatisch und ausgelassen. Es ist bekannt, dass Reduktion ein erfolgreiches Konzept elektronischer Tanzmusik ist, doch bei Islam Chipsy & EEK – beim Electro-Chaabi-Sound – funktio­niert diese Reduktion noch mal anders, als es die durchschnittliche Berliner Techno-Aficionada gewohnt ist.

Islam Chipsy bringt das Keyboard zum Heulen, Keuchen und Quietschen, er kitzelt wirklich alles aus ihm heraus

Mit der flachen Hand

Nicht der Bass macht die Musik, sondern die Kombination der schnellen Schläge auf Toms, Drums und HiHat und dem vom Chipsy auch mal mit der flachen Hand bearbeiteten Keyboard. Je mehr Leute den Raum betreten, desto besser wird auch die Laune der Band: Mando und Tata heizen sich gegenseitig an, vorne steht Chipsy an seinem Keyboard, dirigiert mit den Händen die Menge und mit Blicken seine Mitmusiker. Seine Gestik erinnert ein bisschen an einen Rapper: nur dass er statt eines Mikrofons eben ein Keyboard auf die Bühne gebracht hat. Jetzt unternimmt Chipsy alles für eine gute Show.

Ohne Unterlass bringt Islam Chipsy sein Keyboard zum Heulen und Wabern, zum Keuchen und Quietschen, als würde er das Letzte aus seiner Hardware herauskitzeln wollen. Die Tanzenden danken es ihm mit Begeisterung. Schon während des Konzerts gehen sie auf ihn zu und bedanken sich per Handschlag, mehrere BesucherInnen müssen den Raum vor Erschöpfung kurzfristig verlassen, weil sie einen Zusammenbruch befürchten. Mit Blick auf das Musikprogramm des „Foreign Affairs“-Festivals kann man sagen: Islam Chipsy & EEK haben ihren Auftrag erfüllt.

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