LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Hetera am Ministertisch

betr.: „Lesbe am Ministertisch“, taz vom 11. 8. 16

Es passiert selten, dass ich an den Frühstückstisch das Laptop hole, um direkt einen Brief zu schreiben. Vor einiger Zeit „Lesbisch, jung, AfD“ – heute „Lesbe am Ministertisch“. Was sucht die sexuelle Präferenz der Person so prominent in der albernen Überschrift? Dann macht das doch bitte bei Hetero-/Bi-/Trans-Menschen auch – gleich daneben müsste dann stehen: „Das geht sogar Hetero-de-Maizière zu weit“ oder „Hetera Petra Hinz legt das Mandat später nieder“.

Es ist eigentlich ganz einfach und Frau Brnabić sagt es selbst: „Dann werde ich nicht mehr als lesbische Ministerin, sondern als Ministerin für öffentliche Verwaltung und Kommunales bekannt sein.“Das ist dasselbe leidige Thema wie Artikel über Frauen, in denen es dauernd um Aussehen und Kleidungsstil geht. Die gibt es auch immer noch in der taz. Andrea Wagner,Freiburg

Erschütternde Schicksale

betr.: „Mohammeds Bruder ist tot“, Leserinbrief vom 10. 8. 16

Der Brief von Frau Berger macht etwas sehr Wichtiges: Er holt die geflüchteten Menschen aus der Anonymität einer Zahl in den Nachrichten ins Licht und wir sehen Gesichter und erschütternde Schicksale.

Es kam sich hier niemand vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn du in den Nachrichten von Bombardierungen in Aleppo hörst und einige Stunden später bekommst du per WhatsApp die Nachricht und das Bild, dass ein geliebter Mensch ermordet wurde, totenblass daliegt, das T-Shirt voll Blut. Ich habe eine Freundin, eine geflüchtete Frau einer Familie aus Aleppo, und war in so einem Moment bei ihr. Und ich konnte sie nur in den Arm nehmen und trösten. Mit vom Weinen dick geschwollenen Augen fragt sie mich „Warum?“ und ich kann nichts sagen. Und sie zeigt mir die Narben an ihrem Leib eines überlebten Bombenangriffs. Das tut auch was mit dir.

Zu all der Tragik kommt noch dazu, dass die Geflüchteten hier zwar in körperlicher Sicherheit sind, aber ihre Seelen leiden, auch die Trauer können sie nicht mit der Familie ausleben.

Und auch mich erfasst Wut auf die Politiker, die die humane Dringlichkeit nicht sehen wollen, dass es eine Allianz geben muss, um das Schlachten in Syrien zu beenden. Das hätte übrigens durchaus Auswirkungen auf den sogenannten Flüchtlingsstrom, die Menschen aus Syrien würden lieber „daheim“ bleiben. Sibylla M. Nachbauer, Erlangen

Problematische Wissenschaft

betr.: „Krieg gegen die Wissenschaft“, taz vom 12. 8. 16

Die Wissenschaft und Forschung und ihre veröffentlichten Ergebnisse zum hochgelobten uneingeschränkten Vorteil für die gesamte Menschheit in den USA als auch in Deutschland vernachlässigen oftmals die „Risikorelevanz“, also die Spät- und irreversiblen Folgeschäden. Wir haben mehr Hochrisikiotechnologien – zum Beispiel Atomenergie/Atombomben auf Hiroschima/Nagasaki usw. sind nun wirklich kein Fortschritt für die Menschheit. Wissenschaftler und Forscher tragen alleine die Verantwortung für das, was sie tun, und nicht wofür sie bezahlt werden. Die Interessengruppen und Wirtschaftslobbyisten und die Politik bestimmen weitgehend den Zustand wissenschaftlicher Praxis. In diesem Kontext ist der Titel „Krieg“ gegen die Wissenschaft nicht gerade ein journalistischer Volltreffer.

Thomas Bartsch-Hauschild , Hamburg

Blick ins taz-Archiv

betr.: „Oma Anni regiert schon mal“, taz vom 9. 8. 16

Vielleicht lohnt für die Koalitionskontrahenten des kommenden Berliner Senats ein Blick ins taz-Archiv. Am 10./11. November 2012 wurde auf Seite 3 das Salzburger Modell mit 4,78 Euro Kaltmiete vorgestellt und am 2./3. August 2014 auf S. 12 stellte Claus Schreer fest: Dauerhaft preiswerte Mieten kann es „überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben“. Damit entfielen die circa 20 Milliarden Wohngeldzahlungen aus dem Sozialetat. Ist das für Bund, Länder und Kommunen nicht diskutabel? klaus Warzecha,Wiesbaden

Kein Stolperstein

betr.: „Das richtige Gedenken“, taz vom 8. 8. 16

Meine Freunde in Berlin, bei denen ich oft zu Gast bin, setzten sich vor einigen Jahren für die Verlegung von Stolpersteinen vor ihrem Haus ein, denn auch dort hatten jüdische Menschen gelebt, die umgebracht worden waren. Ich fand die Initiative sehr gut und freute mich, als sie damit Erfolg hatten und die Steine eines Tages vor ihrem Haus verlegt wurden.

Als ich jedoch danach wiederkam, ins Haus ging, empfand ich plötzlich: Jetzt trittst du die ermordeten Menschen mit Füßen und zeigst ihnen Missachtung.

Ich wünschte, die Steine lägen nicht dort, sondern vielleicht am Hausrand, wo man nicht über sie hinweggehen muss. Die Steine sind ja tatsächlich keine Stolpersteine! Im Gegenteil, sie fügen sich gut ein. Die zunächst messingfarbenen Steine werden nach kurzer Zeit grau, man nimmt sie tatsächlich kaum noch wahr. Hinzu kommt, dass wir normalerweise nicht mit dem Kopf nach unten aus dem Haus treten, sondern dort gerade den Blick erheben. So wird dann auch nicht mehr um sie herumgegangen, wie jedenfalls ich es mir vorgenommen hatte.

Ich verstehe die Abwehr von Stolpersteinen für München sehr gut – aber erst, nachdem das Darüberhinweggehen meine Gefühle eindeutig sprechen ließ. Barbara Hartz, Bentrup bei Bremen