Berliner Szenen: Kanada in Brandenburg
Mein Paradies
Seit Jahren schon fahren wir an den kleinen See. Eine Freundin meinte mal, dort sehe es aus wie in Kanada. Das stimmt. Ich hab es mir im Internet angeguckt. Die Seen da sind oft bewaldet, der hier auch. Nur die Berge, die fehlen. Aber er ist klar und frisch wie ein Bergsee.
Unter der Woche trifft man Freunde und bekannte Gesichter. Die Bekannte vom Yoga, die Biobäuerin aus dem Nachbardorf, Familien mit vielen Kindern, die sich das Strandbad am Nachbarsee nicht leisten können. Ich will auch nicht immer Eintritt zahlen und fechte deswegen mit dem Jüngsten oft Kämpfe aus: Sein Favorit ist das Bad (mit Kumpels, Rutsche, Sprungturm), an zweiter Stelle kommt die Affenschaukel am anderen Ufer. Und dann erst, weit abgeschlagen, mein kanadischer See.
Die Ablehnung liegt nicht nur daran, dass es dort keine Rutsche gibt. Nein, es gibt dort auch Nackte! Am Wochenende sieht es oft aus wie im Hippiecamp. Junge, magere Berlinerinnen mit ihren tätowierten Lebenspartnern und Lebenspartnerinnen, Kinder mit exotischen Namen. Plötzlich werden Sprachen gesprochen, die man sonst in diesen Gegenden Brandenburgs nicht kennt. Und die Tätowierungen sind auch kunstvoller als die, die hier sonst gezeigt werden.
Am wohlsten scheint sich der Dicke zu fühlen. Ihn sehe ich jedes Mal, wenn ich am See bin. Er hat einen unglaublichen Bauch, der seine Männlichkeit im Stehen und Sitzen völlig verdeckt. Er trägt sein enormes Gewicht mit Stolz und dem typisch watschelnden Gang ins Wasser. Und dann stürzt er sich kopfüber in die Fluten.
Am schönsten ist es, wenn das Wetter so unstet ist. Dann kommen nur ganz wenige an den kleinen See, und manchmal hat man den kleinen Schatz für sich allein. Mit einem Sonnenuntergang ist das mein Paradies. Elke Eckert
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