Innere Sicherheit

Der Bundesinnenminister will einen härteren Rechtsstaat – durch ­schnellere Abschiebungen und den Entzug der Staatsbürgerschaft

Das Rezept des Thomas de Maizière

Pläne Der Innenminister fordert unter anderem mehr Polizei, konsequentere Abschiebungen und weniger Datenschutz. Von Rufen nach Burkaverbot und dem Ende des Doppelpasses distanziert er sich

Innenminister Thomas de Maizière zu Besuch bei der Bundespolizei in Blumberg Foto: Hans Christian Plambeck/laif

von Anja Maier

BERLIN taz | Der Bundesinnenminister wirkte ernst. Bei der Pressekonferenz am Donnerstagmittag sagte Thomas de Maizière eingangs, die Reaktion der Politik auf die zurückliegenden Gewalttaten mit teils terroristischem Hintergrund könne nicht Hass und Spaltung sein. Auch nicht bloß „mehr neue Gesetze – aber auch nicht überhaupt keine neuen Gesetze“. Die Antworten müssten „Härte und ein entschlossener Rechtsstaat“ sein. Er sei hier, um „meine Vorschläge“ vorzustellen. Die Betonung lag vernehmlich auf „meine“.

De Maizière ist ganz offensichtlich um ein konstruktives Klima in der deutschen Sicherheitsdebatte bemüht. Überwachung, Terrorabwehr, mehr Polizei – bei derlei Themen wird es schnell hitzig. Auf der einen Seite ist da der Koalitionspartner der Union. Die SPD muss den Eindruck vermeiden, sie sei in puncto Bürgerrechte lediglich Vollzugsgehilfe der Union. Auf der anderen Seite sind da die Landesinnenminister von CDU und CSU, die zwei Tage zuvor einen langen Forderungskatalog an die Medien lanciert hatten, der unter anderem die Abschaffung der Doppelstaatsbürgerschaft und das Burkaverbot enthielt.

So weit wie seine Kollegen aus den Ländern wollte Thomas de Maizière erkennbar nicht gehen. Mit deutlichen Worten distanzierte er sich vom Burkaverbot („Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt“) und von der Forderung nach dem Ende der doppelten Staatsbürgerschaft („Wir sollten diese Diskussion nicht neu eröffnen“). Ansonsten aber präsentierte er einen langen Maßnahmenkatalog, den er mit Regierung und Koalition diskutieren will. An die SPD gerichtet, sprach er von „zumutbaren“ Maßnahmen: „Meine Vorschläge überfordern niemanden.“

Man werde, kündigte er an, zusätzlich zu den ohnehin von der Koalition bewilligten 4.600 neuen Polizeistellen das Personal der Sicherheitsbehörden aufstocken. Er denke an eine „mittlere vierstellige Größenordnung für mehrere Jahre“. Wegen der Finanzierung habe er bereits Kontakt zu Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgenommen. Zur Terrorabwehr will de Maizière eine neue Direktion Spezialkräfte bei der Bundespolizei schaffen, zudem eine neue Sicherheitsbehörde zum Knacken verschlüsselter Kommunikation. Die Verantwortung für terroristische Großlagen liege wie gehabt „bei den Polizeien der Länder und des Bundes“. Das schließe dennoch ein, dass die Bundeswehr an gemeinsamen Übungen zur Terrorabwehr teilnehme. „Das kann und das muss geübt werden“, sagte Thomas de Maizière.

Insgesamt will er den Datenschutz lockern. So soll es mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum geben, verdeckte Cyber-Ermittler sollen im Darknet forschen. Die Flugreisedaten sollen europaweit vernetzt werden, und es soll in einem Pilotverfahren erlaubt werden, bei Flüchtlingen ohne Ausweisdokumente Screenings der öffentliche Bereiche ihrer Social-Media-Accounts durchzuführen.

„Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt, und ich lehne das Tragen der Burka ab“

Thomas de Maizière

Auch das Aufenthaltsrecht soll weiter verschärft werden. Ausreisepflichtige Kriminelle und Gefährder sollen verstärkt in Abschiebehaft genommen werden. Die Duldung im Fall von Abschiebehindernissen soll beschränkt werden. Dies gelte insbesondere, wenn jemand seine Abschiebung selbst behindere, indem er etwa falsche Identitäten angebe, Straftaten begehe oder anderes die öffentliche Sicherheit gefährde. Es könne nicht sein, „dass durch Frechheit und renitentes Verhalten der Aufenthalt in Deutschland verlängert wird“, sagte de Mai­zière. Zudem sollen Deutsche, die für eine Terrormiliz im Ausland kämpfen und eine weitere Nationalität haben, die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.

Bei dem heiß diskutierten Thema ärztliche Schweigepflicht wolle man erst einmal mit Ärztevertretern nur ins Gespräch kommen. Die Schweigepflicht selbst stehe nicht zur Disposition, geltende gesetzliche Regelungen seien ausreichend.

Der Koalitionspartner SPD signalisierte kurz nach de Maizières Statement grundsätzliche Gesprächsbereitschaft. Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte, man sei bereit, „über alles zu reden, was dazu beiträgt, die Sicherheit weiter zu erhöhen. Für populistische Schnellschüsse stehen wir aber nicht zur Verfügung.“ Gabriel lobte de Maizières Haltung gegenüber den Unions-Innenministern bei den Themen Burkaverbot und Doppelstaatsbürgerschaft. „Das war eine Ohrfeige für die Scharfmacher in der CDU/CSU.“