LeserInnenbriefe
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Ein umsichtiger Beschluss

betr.: „Die Kinder von Lichtenhagen“, „Ein Linker kuscht vor Neonazis“, taz vom 4. 8. 16

Daniél Kretschmar liest den umsichtigen, wenn auch bedauerlichen Beschluss des Rostocker Sozialsenators, Flüchtlingsfamilien nicht in einem sozialen Brennpunktviertel unterzubringen, als Sieg der rassistischen „Kinder von Lichtenhagen“ und als Indiz für die Scheinheiligkeit offizieller Bekundungen von Weltoffenheit seitens der Stadt und der Universität Rostock.

Sicher gäbe es in Sachen Weltoffenheit im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern noch einiges zu tun. Erst durch die zunehmenden Auslandserfahrungen der Kinder der Wendegeneration – Work & Travel in der ganzen Welt; Erasmus; Flüchtlingshilfe im Mittelmeerraum – werden die kulturell homogenen Wissensstrukturen in den Familien und Gemeinden kosmopolitisiert. Das erfordert Geld und Zeit – schwierig in Zeiten von Austeritätspolitik und Turbobildung. Es wird weiterhin, wie überall, Menschen geben, die von Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit nichts wissen wollen.

Eine ganze „Universitätsstadt“ der Heuchelei und eine ganze „Generation“ der Xenophobie zu bezichtigen, ist jedoch ungerecht und soziologisch ignorant. Wie andere Städte trägt Rostock die schwere Hypothek eines massiven, durch Wiedervereinigung und Neoliberalismus verursachten Strukturwandels. Aber gerade die junge Generation hat im letzten Herbst, unterstützt durch die Universität, Unglaubliches geleistet: Alle Flüchtlinge wurden am Bahnhof von Freiwilligen empfangen, mit dem Nötigsten versorgt und zu den Notunterkünften oder zur Fähre und bis nach Schweden begleitet. Die Uni rüstete spontan im Stadtzentrum ein eigenes Gebäude zur Notunterkunft um. Seitdem sind viele Freiwillige, auch viele Senioren, in der Integrationsarbeit engagiert; interkulturelle Freundschaften sind entstanden. Registrierte Refugees werden von der Uni als Gasthörer zugelassen.

Kretschmar übernimmt den Generationsbegriff sowie die Analogie mit 1992 direkt aus den Verlautbarungen der heutigen Rassisten. Diese werden nicht zur Weltoffenheit erzogen, indem man 70 Geflüchtete ihrem Hass und ihrer Gewalt aussetzt. Ihre Kinder werden nicht weltoffen, indem man sie sozialdarwinistisch zu Erben von Rassisten abstempelt, sondern durch eigene Bildung und Welterfahrung. Diese auch den jungen Leuten aus Lichtenhagen und Groß Klein zu ermöglichen, muss oberstes Staatsziel und oberste Aufgabe öffentlicher Diskurse sein.

Gesa Mackenthun, Rostock

Überflüssige Spiele

betr.: „Ein Team für 65 Millionen“, taz vom 4. 8. 16

Die Olympischen Spiele sind überflüssig, da es in jeder sportlichen Disziplin Weltmeisterschaften gibt. Doping und Korruption, insgesamt die hemmungslose Geschäftemacherei rund um die „Spiele machen die Idee des fairen Sports und der Völkerversöhnung durch den Sport zum Witz. Ärmere Staaten können sich die Ausrichtung der „Spiele“, ja die Förderung des modernen Hochleistungssports nicht leisten. So verstärken die Olympiaden noch den Graben zwischen der „Ersten“ und der „Dritten“ Welt.

Tyrannen richten gern die Olympiaden aus, um ihr Image aufzubessern. So wird der Sport missbraucht.

Die für viel Geld, manchmal auch mit rüden Methoden errichteten olympischen Sportstätten stehen nach dem Ende der Wettkämpfe meist leer und müssen instandgehalten werden. Das hier investierte Geld fehlt im Bildungs- und Gesundheitsbereich, übrigens auch im Breitensport, den ich durchaus schätze.

Die intensive Berichterstattung über die „Spiele“ vermittelt eine falsche Grundhaltung: Charakter, nicht (sportliche) Leistung zählt. Ich wünsche mir in der Presse insgesamt mehr Sozial- und weniger Sportberichte. Christian Fuchs,Gutenstetten

Die Hölle, das sind wir

betr.: „Früher taz, jetzt AfD“, taz vom 5. 8. 16

Sibylle Schmidt, Petra Hinz, Kunz, Müller, Meier …Die Geschichten sind jeweils sehr persönlich, der Link, der sie alle verbindet ist leider ewig gleich: eine Umgebung, die nicht genau hinguckt, der es an jeglicher Aufmerksamkeit mangelt, die sich mit glatten Fassaden und schimmernden Oberflächen zufriedengibt, die nicht nachfragt und am Ball bleibt, und der es im Grunde an dem mangelt, was kleinen Kindern noch eigen ist, aber auch denen oft schnell ausgetrieben wird: echte Neugier und zugewandte Offenheit. Die Hölle – das sind wir und eben nicht nur die anderen! Hildegard Meier, Köln

Werbung für das Töten

betr.: Bundeswehranzeige in der taz vom 6./7. 8. 16

Eine riesige Anzeige von der Bundeswehr! Erst habe ich gedacht es ist ein Scherz, da ich davon ausgehe, dass die taz als linke Zeitung so was nicht abdruckt. Ich verstehe, dass die taz von den Werbeeinnahmen abhängig ist, aber es gibt auch Grenzen. Werbung für etwas, was Menschen tötet, Europas Grenzen abschottet, ist für mich nicht hinnehmbar. Marcus Hofstedt, Halle