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Völlig veraltete Methoden

Tierversuche Dürfen wir an Affen forschen? Tierschützerinnen reagierten auf Artikel und Streitgespräch in der taz vom vergangenen Wochenende

Protest gegen Tierversuche in São Paulo, Brasilien Foto: imago

Einseitig

betr.: „Primat des Menschen“, taz vom 30. 7. 16

Ihr Artikel über Tierversuche ist leider eine ausgesprochen einseitige Darstellung der Problematik. Tierversuchsgegner werden als „militant“, „radikal“ und Bildverfälscher verunglimpft, während Tierversuche völlig verharmlost dargestellt werden. Angefangen bei den netten Bildern von „fröhlichen“ Affen bis zu den angeblich „paradiesischen Haltungsbedingungen“ der Tiere in den Laboren. Kein Wort von den Durstqualen, mit denen die Affen zum „Mitmachen“ gezwungen werden. Ja, es dauert ein Jahr, bis man einen Affen soweit hat, dass er sich in sein Schicksal fügt und es nach außen so aussieht, als ob er sich „freiwillig“ in den Affenstuhl setzt.

Im „Streitgespräch“ wird dann dem Experimentator keine wirkliche Gegnerin gegenüber gesetzt – sie ist weder gegen Tierversuche noch führt sie die wissenschaftliche Kritik am System Tierversuch ins Feld.

Es wird suggeriert, Tierversuche würden nur für lebensrettende Medikamente gegen Krankheiten gemacht werden. Dabei wird nicht hinterfragt, ob ein im Tierversuch wirksames Mittel letztendlich Menschen hilft. Tatsächlich gibt es aber unzählige wissenschaftliche Studien, die die mangelnde Relevanz und Validität des Tierversuchs belegen. In manchen Bereichen, wie der Schlaganfallforschung, liegt die Versagerquote der Tierversuchsmedikamente bei 95 Prozent.

Es wird unwidersprochen behauptet, dass Tierversuche für den Menschen nützlich seien und man nur über das „Wie“ diskutieren müsse. In Bezug auf die Affenhirnforschung fehlt die Beantwortung der Frage, wozu diese eigentlich gut sein soll. Diese sogenannte Grundlagenforschung am Tier mit vorgeblicher Relevanz für den Menschen ist für nichts gut, außer für die Befriedigung der wissenschaftlichen Neugier.

Völlig unerwähnt bleiben in dem Artikel auch die enormen Errungenschaften in der innovativen tierversuchsfreien Forschung – von Minigehirn bis zu Multiorganchips. CORINNA GERICKE, Ärzte gegen Tierversuche e. V. Köln

Gefährlich

betr.: „Primat des Menschen“, taz vom 30. 7. 16

Wenn wir die Primaten als menschliche „Stellvertreter“ in Tierversuchen missbrauchen, dann doch wohl, weil sie uns ähnlich sind. Sind sie uns aber ähnlich, dürfen wir aus ethischen Gründen eben gerade keine Tierversuche machen! Aber: wie wissenschaftlich ist der Begriff „ähnlich“? Wir teilen 98,4 Prozent unserer DNA mit Schimpansen (trotzdem bekommen sie keine HIV-Infektion, keine Malaria, andere Krebsarten, das Gehirn unterscheidet sich). Entscheidend ist aber nicht die Zahl der gemeinsamen DNA, sondern welche Gene ein- und welche ausgeschaltet sind.

Es ist durch viele Beispiele zu belegen, dass die Ergebnisse aus Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragbar sind, wofür es zwei wesentliche Gründe gibt:

1. biologische Unterschiede in Lebensraum, Lebensgewohnheiten, Lebensdauer, Ernährung, Stoffwechsel, 2. handelt es sich bei den Tieren, an denen getestet wird, um sogenannte „Tiermodelle“, die künstlich krank gemacht werden. Das hat nichts mit der Krankheitsentstehung beim Menschen zu tun! Die Erfolgsquote derartiger Versuche für die klinische Anwendung beim Menschen liegt deshalb auch nur bei 0,024 Prozent!

Tierversuche sind für den Menschen gefährlich! 95 Prozent der im Tierversuch erprobten Medikamente versagen beim Menschen, weil sie schädliche bis tödliche Nebenwirkungen haben oder gar nicht wirken. Die Wahl ist tatsächlich nicht zu treffen zwischen Menschen und Tieren, sondern zwischen guter und schlechter Wissenschaft. Die moderne Wissenschaft bietet eine Menge tierversuchsfreier Forschungsmethoden, man muss sie nur anwenden!

KATHARINA FEUERLEIN, Ärztin, Wedel

Kein Anreiz

betr.: „Primat des Menschen“, taz vom 30. 7. 16

Trotz Milliardeninvestitionen und Millionen zu Tode gequälter Tiere, sind Zweidrittel aller Krankheiten bis heute nicht heilbar!

Kurz gesagt: Wer für Tierversuche ist, der weiß zu wenig darüber oder verdient sein Geld damit (Milliarden Steuergelder!) beziehungsweise möchte sich profilieren (Fachzeitschrift-Publikationen)! Zudem sind nur 14 Prozent aller Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben

Sicher gibt es tierversuchsfreie Methoden, die mittlerweile Tierversuche ersetzen. Die Industrie hat aber wirtschaftlich keinen Anreiz auf Tierversuche zu verzichten. Denn gerade einmal 4 Millionen Euro werden jährlich in die Forschung tierversuchsfreier Methoden investiert während Milliarden in den Bau neuer Versuchslabore fließen.

EVA SIEG, Mittweida

Die drei R

betr.: „Primat des Menschen“, taz vom 30. 7. 16

Als Ende der 1960er Jahre die drei R (reduce, refine, replace) in Wuppertal diskutiert wurden, waren wir jungen Menschen überwältigt. Statt Vivisektion endlich humanes Umgehen mit der missbrauchten Kreatur, kein Quälen bei vollem Bewusstsein mehr, ja sogar das Ende der Tierversuche war in Sicht! Das ist jetzt fast 60 Jahre her, doch die tierexperimentelle Forschung arbeitet weiter mit Methoden, die 1960 Sensation waren, inzwischen aber total veraltet sind. Keine andere Wissenschaft arbeitet heute noch wie anno dazumal. Die Menschen können zum Mond fliegen, aber wenn sie etwas über ihre Niere wissen wollen, fragen sie die Maus. Statt die Forschungsmillionen in die Entwicklung eines humanen Lungengewebe-Infektionsmodells und in den multidisziplinären Mikro Organoid zu stecken, kauft man dafür Primatenstühle. Wahrlich wissenschaftlich!

MARGRIT VOLLERTSEN-DIEWERGE, Erlangen

Grausam

betr.: „Primat des Menschen“, taz vom 30. 7. 16

Inzwischen weiß man doch, dass 95 Prozent der Tierversuch nicht auf den Menschen zu übertragen sind. Und das hat die FDA, die amerikanische Gesundheitsbehörde festgestellt, die sicherlich nicht zu tierfreundlich ist. Und es gibt inzwischen alternative Methoden.

Und im übrigen gilt doch: Wenn die Tiere sind wie wir, dann sind die grausamen Versuche ethisch nicht zu rechtfertigen, sind sie nicht wie wir, dann sind sie wissenschaftlich sinnlos!

ANJA HALLERMANN, Braunschweig

Wer entscheidet?

betr.: „Primat des Menschen“, taz vom 30. 7. 16

Über die Sinnigkeit beziehungsweise Unsinnigkeit lässt sich noch nicht mal streiten, wenn man sich mal in Ruhe die entsprechenden Studien zu Gemüte führen würde. Das zum Thema des Herrn Treue, das wir diese Versuche bräuchten um Menschen zu helfen! Leider sind die Aussagen von Frau Wolf teilweise auch nicht nachvollziehbar. Wer soll denn entscheiden, welche Versuche nicht so schlimm und schmerzhaft sind?!

SUSANNA KÜSTERMANN, Krefeld