„Die FDP diskriminiert den Islam“

Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, über das Kopftuch als „Glaubensbekundung“, die Diskriminierung hunderttausender Muslime und den laizistischen Staat

INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA

taz: Frau Düker, die Grünen kritisieren den aktuellen Vorstoß von CDU und FDP heftig, nach dem Lehrerinnen im Dienst das Tragen des Kreuzes erlaubt, das Kopftuch aber verboten sein soll. Ist die grüne Position, das Kopftuch zu tolerieren, nicht billiges Multi-Kulti?

Monika Düker: Natürlich nicht. Für uns gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für ein Dutzend Einzelfälle in ganz Nordrhein-Westfalen haben wir eine gesetzliche Regelung. CDU und FDP betreiben eine symbolische Gesetzgebung: Es geht hier doch um die Frage einer Glaubensbekundung durch Kleidung. Nach Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts können wir nicht christliche Symbole erlauben und gleichzeitig muslimische Symbole verbieten!

Ist das nicht falsch verstandene Toleranz? Erschwert nicht gerade die Tolerierung von Symbolen wie dem Kopftuch die Emanzipation junger muslimischer Frauen?

Das Kopftuch ist für viele junge Muslima eine Form der Glaubensbekundung – und nicht, wie es uns CDU und FDP vormachen wollen, ein politisches oder gar fundamentalistisches Symbol. Argumentiert eine Lehrerin fundamentalistisch, kann das schon heute beamtenrechtlich geahndet werden. Eine gute Beamtin muss mit oder ohne Kopftuch ihrem Erziehungsauftrag nachkommen und ihre Schülerinnen und Schüler zu freien Entscheidungen, zu einem selbst gewählten Lebensweg ermutigen.

Ist das angesichts des Symbolgehalts des Kopftuchs nicht lebensfremd?

Nein. Ich räume ein, dass eine Schule, die ein religiös streng neutrales Umfeld bietet, für junge muslimische Frauen von Vorteil sein kann. Dieses Ziel erreichen wir aber nicht, indem wir das Kopftuch verbieten – das bringt die Mädchen doch nur in einen Kulturkonflikt zwischen der offenen Gesellschaft und einem eventuell stark patriarchalisch geprägten Elternhaus. Schauen Sie doch nach Frankreich, wo die Diskussion noch viel härter geführt wird: Dort hat das strikte Verbot des Kopftuchs auch für Schülerinnen die Integration des Islams nur behindert. Die Religion wird an den Rand, ins Private gedrängt. Integration sieht anders aus.

CDU und FDP diskriminieren also einseitig den Islam?

Natürlich. Wer wie FDP-Fraktionschef Gerhard Papke das Kopftuch als fundamentalistisches Symbol betrachtet, grenzt hunderttausend Muslime und Muslima in Nordrhein-Westfalen aus. Stattdessen brauchen wir einen Dialog, der klarmacht, dass es in unserer Gesellschaft verschiedene Wege für junge muslimische Frauen gibt – und so zur Schaffung eines aufgeklärten europäischen Islams beiträgt.

Dennoch: CDU und FDP werden das Schulgesetz mit ihrer Landtagsmehrheit ändern...

Ja, aber das wird ein Phyrrussieg. Ein solches Gesetz wird den Ansprüchen des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts nicht standhalten. Wir können nicht eine Religion – den Islam – einseitig benachteiligen. Wenn gegen das Kopftuch-Gesetz geklagt wird, sind wir bei einer streng laizistischen Ausrichtung, in der alle religiösen Symbole verboten werden müssen. Und das will ich nicht.

Warum? Was haben religiöse Symbole wie das christliche Kreuz, die jüdische Kippa oder das muslimische Kopftuch in Schulen des zur Wertneutralität verpflichteten Staates zu suchen?

Vor zehn Jahren hätte auch ich für einen streng laizistischen Staat plädiert. Heute aber fürchte ich, dass Verbote die Religion nur an den Rand drängt und so fundamentalistische Tendenzen stärkt. Wir reden hier über Glaubensbekundungen durch Kleidung, nicht über Predigten oder das Kruzifix an der Wand. Eine solche Glaubensbekundung durch Kleidung der Lehrerinnen und Lehrer muss für jede Religion zulässig bleiben. Sonst reden wir bald über die Frage, ab welcher Größe ein Kreuz modisches Accessoire oder religiöses Symbol ist – und das wäre eine wirklich absurde Diskussion.