Fähnchen schwenken

Zwanzig Minuten vor Spielbeginn wollte es der Stadionsprecher genau wissen: „Are there any fans from China?“, fragte er ins Rund der Hamburger AOL-Arena, Schauplatz des ersten Aufeinandertreffens der Fußball-Nationalmannschaften von China und Deutschland. Ja, es waren Fans da, nur ihr Echo fiel so dürftig aus, dass es schien, als wären sie zuhause geblieben. Vielleicht hatten einige die Frage nicht verstanden. Vielleicht reichten die paar hundert Anhänger des chinesischen Teams einfach nicht aus, um sich nachdrücklich bemerkbar zu machen. Sie saßen schließlich auch nicht als grölender Block zusammen, sondern schwenkten vereinzelt unter den knapp 50.000 Zuschauern ihre Fähnchen.

Damit zumindest die Begrüßung von jedem und jeder verstanden wird, gab es diese in der Landessprache. „Das beste Chinesisch, dass ich je von einem Deutschen gehört habe“, urteilte Zhang Jianwei, ein Chinese, der seit vier Jahren in Kiel lebt und studiert. Im Stadion sitzt Zhang allein unter Deutschen, geschmückt mit einer großen China-Fahne, die er während des Spiels immer wieder ausrollt, um seine Mannschaft anzutreiben. Seine Anfeuerungsrufe versinken allerdings im Dauer-Gemurmel. Dieses Schicksal teilt Zhang mit den anderen China-Fans, die über das ganze Stadion verstreut mit ihrer Mannschaft fiebern. Daher bleibt ihr vorrangiges Mittel der Sympathiebekundung: Fahnen schwenken. Und das tun sie im Spielverlauf mit immer mehr Enthusiasmus, ihre Mannschaft verkauft sich schließlich bestens gegen die nur auf dem Papier übermächtigen Deutschen.

Während der Halbzeit rennen die deutschen Fans zur Toilette, um anschließend sofort neues Bier zu ordern. Die Chinesischen Fans hingegen lassen Bier, Bratwurst und Riesenbrezeln links liegen und bannen stattdessen in der Viertelstunde so viele Eindrücke wie möglich auf die Speicher ihrer Digitalkameras. Zur Ausstattung gehören ansonsten: Ferngläser, Sitzkissen und Camcorder. Auffallend ist außerdem die gute Stimmung, die auch von dem Gegentreffer der zweiten Halbzeit nicht negativ beeinflusst wird. Anders als die deutschen Fans diskutieren sie den Spielverlauf anstatt lauthals zu pöbeln. Als der Schiedsrichter die Partie beendet, schwenken sie ein letztes Mal ihre Fahnen, klatschen und machen sich trotz des verlorenen Spiels gut gelaunt auf den Heimweg.

„China war sehr gut“, sagt Liud, Student aus Cottbus. Kommilitone You pflichtet ihm bei: „Schließlich ist Deutschland eine Super-Mannschaft.“ Auch der Kieler Student Zhang ist zufrieden mit seiner Mannschaft, die Fahne hat er über die Schultern gehängt. Er habe das Spiel richtig genossen, sagt er. Als echter Fußball-Fan? „Ein echter Fan bin ich eigentlich nicht“, sagt er und schickt ein Lachen hinterher, „obwohl: für chinesische Verhältnisse bin ich wohl ein Fan“. Hendrik Ternieden