LeserInnenbriefe
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RenterInnen sind nicht dumm

betr.: „Regierung vertagt Rentenstreit“, taz vom 2. 8. 16

Die Große Koalition Wert legt darauf, die aktuelle Rentnergeneration bei den Wahlen an sich zu binden. Aber diese Generation ist nicht so dumm, wie Politik sie verkauft. Die Rentnergeneration weiß, dass ihre Kinder und Enkelkinder die Versäumnisse der Großen Koalition „ausbaden müssen“. Gabriels Kurswechsel weg von der Reformagenda unter dem früheren Kanzler Gerhard Schröder hat sicher auch mit den aktuellen Umfragewerten zu tun. Der Kampf der Gewerkschaften gegen Altersarmut kommt viel zu spät. Die Politik wird die Debatte vor der Bundestagswahl 2017 nicht mehr loswerden.

Die ehemaligen Volksparteien leiden unter sinkendem Zuspruch, weil sie nicht mehr den Wählerwillen repräsentieren und respektieren. Mich wundert, dass der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, feststellt, dass der Staat, der wir ja wohl alle sind, schon heute nicht genug in die Zukunft investiert. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Besserverdienenden dieser Gesellschaft auch entsprechend mehr Steuern zahlen, statt ständig nach Steuererleichterungen zu rufen. Insofern verstricken sich Zander und Gesamtmetall in die eigenen Widersprüche.

Elf bis 12 Millionen Bürger, die im Alter Altersarmut und einen Hartz-IV-Anspruch zu erwarten haben, sind ein deutliches „gesellschaftliches Problem“. Davor können sich weder Politik noch Zander und Gesamtmetall drücken. KLAUS JÜRGEN LEWIN, Bremen

Schweizer Modell

betr.: „Regierung vertagt Rentenstreit“, taz vom 2. 8. 16

Am Ende des Artikels heißt es, dass Sozial- und Finanzministerium weiterhin auf mehr betriebliche und private Vorsorge setzen – obwohl nach wie vor die wenigsten Betriebe betriebliche Altersvorsorgemodelle anbieten und Beschäftigte im Niedriglohnsektor sich in der Regel keine private Altersvorsorge leisten können.

Und darüber, wie das Problem der späteren Altersarmut von Langzeitarbeitslosen gelöst werden soll, für die die Jobcenter schon seit einigen Jahren keine Rentenversicherungsbeiträge mehr entrichten, schweigen die Ministerien sich nach wie vor ebenso hartnäckig aus wie über eine dringend notwendige wirtschaftlich armutsfeste gesetzliche Mindestrente, obwohl gerade viele Ältere den „aufstockenden“ Gang zum kommunalen Sozialamt scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass die Leistungen der sozialen Grundsicherung für Ältere nach dem SGB XII, deren Höhe sich am Arbeitslosengeld II orientiert, laut aller bisherigen Berechnungen der unabhängigen Wohlfahrtsverbände real nicht armutsfest bemessen sind. Stattdessen benötigen wir gerade angesichts des Strukturwandels in Richtung Industrie 4.0 eine Wertschöpfungsabgabe für kapitalintensive Betriebe sowie eine Übernahme des Schweizer Modells.

Dieses basiert zwar ebenfalls auf den drei Säulen der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge, beinhaltet jedoch im Gegensatz zum deutschen Rentenversicherungssystem eine Mindestrente für diejenigen, die als gebürtige Schweizer auch den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens in der Schweiz verbracht haben, sowie einen legalen „Rentendeckel“ für Gutverdiener, die im Verhältnis zu ihren späteren Rentenansprüchen höhere Rentenbeiträge in dieses System einzahlen müssen. Zudem werden in der Schweiz sämtliche Erwerbstätigengruppen – Politiker, Beamte, Selbstständige, Freiberufler, abhängig beschäftigte Arbeitnehmer – zur Einzahlung herangezogen.

ELGIN FISCHBACH, Leimen

Kein neues Phänomen

betr.: „Bayern verklagt Volkswagen wegen Dieselskandal“,taz vom 3. 8. 16

Dass Unternehmen nicht nur alle legalen, sondern vielfach auch illegale Möglichkeiten nutzen, um ihre Gewinne zu maximieren und damit ihre Aktionäre zu beschenken, ist ja kein neues oder gar auf den VW-Dieselskandal beschränktes Phänomen. Vielmehr ist es ein immanentes Merkmal des maßlosen Gewinnstrebens in der heutigen globalen Konkurrenz, in der gefressen wird, wer selbst nicht gierig und unaufhörlich frisst und frisst und frisst …

Aus der Ferne mag ich Söder nun beipflichten, dass es so ja auch nicht geht. Und dass die Wertverluste infolge der kriminellen Machenschaften von Winterkorn & Co. schon aufgefangen werden müssten. Zugleich stellt sich mir jedoch die Frage, wie es eigentlich mit den Wertsteigerungen der VW-Aktien in den vorangegangenen Jahren aussieht. Wer fragt denn danach, inwieweit diese „Erfolge“ auf die illegalen Methoden des Autobauers zurückzuführen sind? Müsste zu dieser Frage nicht ebenfalls verpflichtet sein, wer, wie Söder, soziale Verantwortung trägt?

Müssten die Gewinne nicht schließlich mit den Verlusten verrechnet werden? Oder haben die „Mitteilungspflichten“ Grenzen? Wenn ja, dann wäre doch die Quintessenz: Kriminalität hin oder her, solange man sich nicht erwischen lässt, ist in diesem System alles gut, was den Rubel rollen lässt und damit scheinbar den Standort fördert.

Diese Fragen sind nicht nur in Bayern zu stellen, sondern gesamtgesellschaftlich. Einbezogen wären schließlich auch die berechtigten Fragen danach, wie es eigentlich mit den Dividenden und horrenden Bonuszahlungen in den aufgrund der Manipulationen im Nachhinein gar nicht mehr so erfolgreichen Jahren vor der Aufdeckung des jahrelang vertuschten Skandals ausschaut. ANDREAS LACHMANN, Hannover