die kustodin
: „Ich war noch nie so überwältigt“

Dorothee Hansen ist seit 1995 an der Bremer Kunsthalle. Die Kunstwissenschaftlerin kuratierte bereits die großen Sonderausstellungen zu Max Liebermann und Vincent van Gogh, zu dem 320.000 Menschen kamen.

taz: Frau Hansen, wie lang wird die Schlange diesmal?

Dorothee Hansen: Ich bin gar nicht sicher, ob es überhaupt eine gibt, für die Besucher wäre das ja auch viel besser. Wir machen „Monet und Camille“ extra anderthalb Monate länger als van Gogh, um das Ganze ein bisschen zu entzerren.

Aber die Leute wollen doch Schlange stehen, um dabei gewesen zu sein!

Sicher, die Schlange vor großen Ausstellungen ist zum Phänomen geworden, zum optischen Ausdruck des Interesses. Aber ich glaube trotzdem, dass sich die Besucher freuen, wenn es drinnen nicht ganz so voll ist.

Mit 150.000 BesucherInnen prognostizieren Sie jetzt weniger als die Hälfte der van Gogh-Interessenten. Warum?

150.000 wären durchaus auch ein riesiger Erfolg, wenn man bedenkt, dass die Berliner Goya-Ausstellung – in einer zehnmal so großen Stadt und nach jahrelanger Vorbereitung – 230.000 Menschen angezogen hat. Aber van Gogh war eben der populärst mögliche Künstler, auch der teuerste.

Also können vergangene Erfolge zum Problem werden – als nicht mehr erreichbare Messlatte.

Es ist natürlich einfacher, die Landschaften eines Künstlers mit all’ ihren leuchtenden Farben zu verstehen als „Frauenportraits im Impressionismus“ mit den komplexen Bezügen wie wir das jetzt machen. Es ist eben keine Monet-Retrospektive, sondern eine Themen-Ausstellung verschiedener Künstlern. Aber es ging mir noch bei keiner anderen Ausstellung so, dass ich beim Auspacken der Leihgaben derartig überwältigt war.

Sie haben zwölf Monetsche Camille-Porträts ausgewählt. Welches ist für Sie am wichtigsten?

Am anrührendsten ist natürlich das Bild auf dem Sterbebett. Aber im „Bremer Bild“ [Camille 1866, 1906 erworben von Kunsthallen-Direktor Pauli] steckt die ganze Idee dieser Ausstellung: der Typus des Frauenporträts, der Zeitgeist, die Mode – ganz viel Kunstgeschichte. Man kann sich Schritt für Schritt in unsere Ausstellung einsehen und Vergleiche ziehen. Darüber hinaus kann man feststellen: Das sind einfach toll gemalte Bilder. Interview: Henning Bleyl