LeserInnenbriefe
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Mohammeds Bruder ist tot

betr.: „Ring um Aleppo gesprengt“, taz vom 8. 8. 16

Gestern starb der Bruder meines Freundes Mohammed. Mohammed ist Syrer und wie so viele ist er im vergangenen Sommer nach Deutschland geflohen. Wie so viele andere Deutsche habe ich seit dem letzten Herbst Geflüchteten bei ihrer Ankunft hier in Deutschland geholfen. In Jena, Thüringen, wo Mohammed und ich wohnen, gibt es ein ziemlich großes Netz an BetreuerInnen und Betreulingen. Trotz aller Unterschiede, Verständigungsschwierigkeiten und kulturellen Unvereinbarkeiten wurden aus einigen Betreulingen und BetreuerInnen Freunde. Im Laufe der Zeit und mit der Zunahme an Austauschmöglichkeiten konnte ich Details über das Leben meiner neuen Freunde erfahren. Meine neuen Freunde haben immer noch ihre Familien in Aleppo, Damaskus oder Homs. Ihre Mütter, Väter und Geschwister, manchmal auch ihre Frauen und Kinder sind dort. Auch deshalb sind sie mit ihren Gedanken nicht immer in Deutschland: Sie sind alleine hier und sie und ihre Familien sind alleine gelassen in einem Krieg, den sie nicht gewollt haben, und kämpfen nun gegen ein brutales Regime, welches mit ausländischer Hilfe seit fünf Jahren einen Vernichtungskrieg gegen die eigene Bevölkerung führt. Von der ursprünglichen Idee, den arabischen Frühling mit friedlichen Massenprotesten und all seinen Verheißungen nach mehr Demokratie nach Syrien zu tragen, ist nicht viel übrig geblieben.

Plötzlich betrifft es irgendwie auch mich persönlich. Denn meine Freunde sind mit ihren Köpfen immer noch im Krieg. In einem Krieg, den sie nicht verlieren können, denn dieser Kampf ist das Einzige, was dem syrischen Volk geblieben ist. Gleichzeitig können sie diesen Krieg alleine niemals gewinnen. Ich bin wütend und hilflos, weil Deutschland zwar Flüchtlinge aufnimmt, sich aber nicht genügend dafür einsetzt, dass die Ursachen dieser Flucht bekämpft werden. Ich bin wütend auf die politisch Verantwortlichen unserer Welt, weil keine Mittel in diese vielleicht größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit mit ihren mindestens 400.000 Toten und Millionen Flüchtlingen gesteckt werden. Alles, was ich tun kann, besteht darin, für meinen Freund Mohammed bei seinem nächsten Zahnarzttermin zu übersetzen. Und gestern starb Fares. Mohammeds Bruder in Aleppo. Er wurde 19 Jahre alt. LAURA BERGER, Jena

Imagine there’s no countries

betr.: „Mit Musik kann man nicht lügen“, taz vom 6./7. 8. 16

Ich möchte der Autorin Waltraud Schwab versichern, dass John Lennons „Imagine“ mich das ganze Leben schon begleitet, und ich bin über 60. Das ist außerdem der Song, den ich auf meiner Beerdigung gespielt haben möchte, denn die Botschaft altert – leider – nicht! „Imagine there’s no countries / It isn’t hard to do / Nothing to kill or die for / And no religion, too // Imagine all the people / Living life in peace.“ Klaus Hohle, Berlin

ZivilistInnen ins Paradies gebombt

betr.: Bundeswehranzeige in der taz vom 6./7. 8. 16

Ausgerechnet am 71. Jahrestag von Hiroshima, wo 1945 eine amerikanische Friedensarmee sich mit einer Atombombe verteidigte und dabei rund 140.000 schuldigen ZivilistInnen den Weg ins Paradies freibombte, erscheint eine Anzeige der Bundeswehr in der taz. „Wir machen Karrieren und Olymiasieger.“ Heißt das, wir sollen uns freuen, dass in unserer Verteidigungsarmee in der Freizeit zwischen Afghanistan und Mali dem Sport gehuldigt wird? Wie viele Anzeigen der Bundeswehr müssten geschaltet werden, damit die taz ihre Abonnenten nicht mehr braucht?

Margot Klein, Mannheim

Tolerante Muslime

betr.: „Die dunkle Seite der Gemeinde“, taz vom 3. 8. 16

Die Beiträge von Jürgen Gottschlich schätze ich sehr. Aber der Bericht über die Gülen-Gemeinde bedarf zumindest der Ergänzung, zumal im Untertitel von den vielen Gesichtern der Bewegung die Rede ist, aber dann doch nur „Die dunkle Seite der Gemeinde“ übrigbleibt. Die negative Rolle, die sie beim Aufstieg der AKP und der Verfolgung von Kritikern in der Türkei spielte, soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden. Hier deckt sich der Artikel mit dem, was auch laizistisch eingestellte türkische Freunde sagen.

Aber ich habe hier in Deutschland eben auch Freunde und Bekannte, die für „Hizmet“-Institutionen tätig sind. Und diese geben sich nicht nur vordergründig demokratisch, tolerant und dialogbereit, sondern sie sind es auch. Sie leben ihren Glauben, respektieren aber auch den der anderen. Es gibt Frauen ohne und solche mit Kopftuch. Zu ihren Freunden oder sogar Ehepartnern zählen nicht nur Türken, sondern auch Deutsche und andere Nationalitäten. An ihren Schulen leisten Lehrer mit und ohne Migrationshintergrund für muslimische wie nichtmuslimische Schüler hervorragende Bildungs- und Integrationsarbeit.

WOLFRAM BIEBER, Würzburg

Einkalkulierte Genderdebatte

betr.: „Geisterjägerinnen: Der Spuk des Sexismus“, taz v. 3. 8. 16

So geht man Hollywood auf den (Sch)Leim. Die Neuauflage eines Kinobusters mit Frauen als Stars hat nichts mit Emanzipations- oder Gleichberechtigungsbestreben zu tun, sondern damit, dass die Mädels jetzt Geld haben, das man ihnen aus der Tasche ziehen will. Und es funktioniert ja auch prächtig. Die Genderdebatte ist einkalkuliert. Und auch diese Rechnung geht auf, wie die taz im Selbstversuch belegt. THOMAS MOSER, Berlin