Wer zuerst kommt, verliert auch zuerst
: Netflix verteidigen – mit „BoJack Horseman“!

Die Couchreporter Heute: Jürn Kruse

Eine kleine Auswahl der Schlagzeilen zu Netflix aus den vergangenen Wochen: „Online-Videodienst erreicht Klassenziel nicht“ (Handelsblatt), „Der Absturz der Netflix-Aktie“ (faz.net), „Autsch! Die Netflix-Aktie wurde gerade fertig gemacht!“ (The Motley Fool, scheint so was wie Focus.de der Kleinanlegerwelt zu sein).

Was war passiert? Der Streaminganbieter hatte im zweiten Quartal 2016 nur 1,68 Millionen Kunden hinzugewonnen. Prognostiziert waren aber 2,5 Millionen. Die Aktie fiel um 15 Prozent.

Hier und da mischte sich Häme in die Texte und Meinungen, nach dem Motto: Da haben sich noch so viele Kritiker Mühe gegeben, Netflix hochzuschreiben – und jetzt stürzt es doch ab. Hahahahaha!

Dabei ist das, was mit Netflix gerade passiert, nichts anderes als etwas, wofür es im Deutschen leider keine griffige Formulierung gibt: „First Movers Disadvantage“. Der Nachteil des Pioniers.

Nein, Netflix war nicht das erste Unternehmen, das Videos streamte, und es war auch nicht das erste Unternehmen, das schöne Serien produzierte. Aber Gründer Reed Hastings und seine Leute waren die Ersten, die dies in großem Stil taten, die Geld in die Hand nahmen, um die großen Pay-TV-Anbieter auf ihrem eigenen Gebiet anzugreifen.

Und die damit schöne Serien schufen, wie das gerade erst in die dritte Staffel gegangene „BoJack Horseman“: Die Geschichte von einem Pferd, das in den 90er Jahren mal ein großer Star in einer Sitcom war, sich dann dem Alkohol hingab, nun ein Comeback wagt, seine Memoiren schreibt und einen Film dreht.

Das ist der grobe Plot. Ach so, und das Ganze spielt in einer Welt, in der Tiere und Menschen gleichberechtigt und in großer Eintracht zusammenleben.

Die Harvard Business Review hat vor 15 Jahren eine Studie veröffentlicht, in der untersucht wurde, ob das Unternehmen, das mit einem Produkt als Erstes am Markt ist, tatsächlich Vorteile hätte. Denn bis dato war eigentlich nie vom „First Movers Disadvantage“ die Rede.

Das Ergebnis der Studie: Nein, auf lange Sicht hat der Pionier mehr Kosten und weniger Gewinn als die Firmen, die ihm nachfolgten und seine Ideen kopierten. Oder: optimierten.

Und wer hat kopiert beziehungsweise optimiert und übernimmt nun all die Kunden? Richtig. Amazon. Wie bei jedem Produkt. Immer Amazon. Immer, immer, immer Amazon. Amazon hat im letzten Quartal umgerechnet 857 Millionen Euro Gewinn gemacht. Das Unternehmen hat einen Börsenwert von 326 Milliarden Euro, das ist ungefähr vier Mal so viel wie Siemens oder neun Mal Netflix oder 30 Mal das Saarland.

Damit lassen sich ein paar Serien herstellen. Und das macht Amazon. Und das Ganze gibt’s dann als Teil eines Prime-Abos (wie auch die schnelle Lieferung der Schlüppis, das Musikstreaming etc.).

Doch wollen wir das eine Unternehmen, das uns quasi alles liefert? Ich hab davor Angst. Ich mag es gern übersichtlich: Das Kabelfernsehen und die Fernsehsender liefern mir den Live­sport, Rewe die m&m’s, Amazon die m&m’s-Spender – und Net­flix die Filme und Serien.

Jeder kriegt (oder genauer gesagt: nimmt) ein bisschen was von mir. Ich nenne das: Arbeitsteilung 5.1.