LeserInnenbriefe
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Nochmal nachtreten

betr.: „Die Kraft der Worte“, taz vom 30. 7. 16

„Links blinken, rechts winken“, sehr viele LeserInnen haben sich dazu Pro Sahra Wagenknecht geäußert. Man hätte es dabei belassen können. Verstehe nicht warum die taz hier nochmal nachtreten muss. Und einfach Behauptungen erneuert. Politiker, so die taz, „haben die Pflicht, ihre Worte sorgsam zu wählen“. Das tat Sahra Wagenknecht. Mir scheint, der taz und der Linken geht es ganz offensichtlich mehr um das politisch korrekte Sprechen und weniger um Inhalt und Realität. Die Sorgsamkeit, die hier eingeklagt wird, ist letztlich nur zum Preis der Realitätsverleugnung und unausgesprochener Tabus zu haben. Und der Witz des Tages, welcher diese schauprozesshaften taz-Kommentierungen unterstreicht, ist, dass wiederholt darauf verwiesen wird, dass sich Sahra Wagenknecht doch tags darauf dafür entschuldigte. Was für ein Beweis!? Es beweist eher die Logik des Schauprozesses, wenn ein Delinquent am Ende seine Schuld „freiwillig“ eingesteht. Stattdessen handelt es sich doch eindeutig um einen Kotau, der dem innerparteilichen und linksmedialen Shitstorm geschuldet ist. Ich bin mir sicher, dass Sahra Wagenknecht insgeheim und in Anlehnung an Kopernikus noch immer denkt: Und sie bewegt sich doch. Recht hat sie.

ANDREAS HÖRMANN, Frankfurt am Main

Wo, wenn nicht in der taz ...?

betr.: „Schelte für Sahra Wagenknecht“, taz vom 30. 7. 16

Im Zug in Richtung Süden lese ich gerade mit einiger Verwunderung die Seite mit den LeserInnenbriefen zur Diskussion um die Äußerungen Sahra Wagenknechts. Mir hat die Titelseite des vergangenen Mittwochs inklusive Kommentar prima gefallen.

Die Diskussion um die zu Missverständnissen und Ressentiments einladenden Äußerungen Wagenknechts ist ja absolut nicht neu, wichtig ist wohl aber, dass das Maß des Erträglichen inzwischen derart deutlich überschritten ist, dass auch die nach dem Tortenwurf anzutreffende Wagenburgmentalität innerhalb der Linkspartei erfreulicherweise hinfällig ist und die Kritik an Wagenknechts Positionen deutlich formuliert wird. Die Unterstellung, dass es sich bei der Diskussion in der taz um einen Schauprozess handele, ist historisch grob unzulänglich und ärgerlich. Wo, wenn nicht in der taz, sollte die Kritik an Äußerungen Wagenknechts im Kontext der Angstmacherei und den von ihr genutzten Versatzstücken völkischen Denkens (Stichwort „Gastrecht“) ein vernünftiges Forum finden?!

Zur Diskussionskultur der taz gehört gern auch das heutige Loblied Jan Feddersens auf den Politikstil Wagenknechts („Lob auf eine Populistin“). Die Erinnerung an die Notwendigkeit einer Politik für den „kleinen Mann“ ist richtig. Die Annahme aber, dass eine Strategie weiterführe, die dem „Volk“ nach dem Mund redet, scheint mir fahrlässig. Dieses hat ja sein eigenes Sensorium für das Original des jeweiligen Sounds – und die Kontaktnahme ebenda steigert die konjunkturelle Stimmung der Angst und des Ressentiments. Richtiger Kontakt – so ja der Begriff Feddersens – und wohl auch linker Populismus sieht anders aus: vergleiche etwa Bernie Sanders.

Und eine Zeitung, die Substantielles für ein weiterführendes Verständnis unserer Gegenwart und gegen Angstmacherei und Ressentiment leisten möchte, sieht so aus wie die heutige taz mit den Stimmen der Geflüchteten zu den Auswirkungen für sie („Wir lassen unser Leben nicht klauen“) und dem Interview mit Klaus Theweleit („Möglichst viele Opfer, möglichst spektakulär“) – oder eben auch wie die vom vergangenen Mittwoch.

KLAUS SCHILLING, Frankfurt am Main

Danke für den Einblick

betr.: „Wir lassen unser Leben nicht klauen“, taz vom 30. 7. 16

Es kommen Flüchtlinge zu Wort, die gebildet sind und gute Aussichten haben, beruflich Fuß zu fassen. Wie geht es minder (aus)gebildeten Asylsuchenden?

Ich stelle mir vor: Unterkunft, Essen, finanzielle Versorgung durch die Kommunen und den Staat, Leere im Alltag, keine Perspektiven! Woher genügend Lehrkräfte und Ausbildungsplätze nehmen, Arbeitsplätze im unteren Lohnsegment für ungelernte Kräfte? Wie hoch soll die Entlohnung dafür sein und was schafft zwar zunächst Erleichterung der momentanen Lebenssituation, aber langfristig sozialen Unfrieden? Die Meinungen der zu Wort Kommenden finde ich differenziert und nachvollziehbar, Lösungsansätze werden entwickelt, wie aufmerksamere soziale Kontrolle in den Heimen, schnellere Reaktion der Exekutive, schneller Aufnahmeverfahren und schnelle Abschiebung bei Ablehnung der Asylanträge; Ersteres realistisch, aber in Folge, was dann?

Sozialarbeiter, Psychologen, Psychiater, Betreuer wären gefragt, weil niemand ohne Tat im Vorfeld verhaftet und bestraft werden kann. Die Behörden bräuchten eine ungeheure Menge an neuen Stellen und Mitarbeitern, um Verfahren zu beschleunigen, unter Berücksichtigung der individuellen Situation (des Asylsuchenden), damit objektiv fair beurteilt werden kann. Sprachprüfungen auf eine gestellte Frist hin? Traumatisierte Personen, noch nicht psychiatrisch behandelt, sind in keiner Weise fähig, schnell Sprache zu lernen, und werden keine Fristen einhalten können.

Danke für den Einblick in das Erleben von Abdullah Frahmand, Alaa Kefo und Samer, die Empathie und das Interesse an Lösungen tun mir sehr gut. Eine gute Zukunft für sie in der Bundesrepublik Deutschland wünsche ich.

RITA CZERWONKA, Karlsruhe