Zu Hause wartet der Babysitter

HipHop Nichts muss mehr, alles kann: De La Soul sind in einem Alter, in dem der Bauch unter dem T-Shirt spannt, ihr Publikum stört das nicht. Am Donnerstag spielten sie im Yaam ihre alten Hits

Es ist heiß, aber sie geben alles. De La Soul in Berlin Foto: Larth Vader Photographie

von David Joram

„Dey-la, dey-la, dey-la.“ Laut schallt es am Donnerstagabend von der kleinen Bühne des „Young African Art Market“ her, besser bekannt unter dem Namen Yaam. Dicht gedrängt steht das Publikum und schreit im Chor zurück: „Dey-la, dey-la, dey-la!“ Die Stimmung ist prächtig, trotz der angestauten Hitze, die den Fans die Schweißperlen ins Gesicht treibt. Den drei Jungs von De La Soul geht es kaum besser.

„De La Soul Is Dead“, hieß mal eines ihrer Alben. Im Yaam blicken sie dem Tod förmlich in die Augen, so heiß wie es ist. Ihre schwarzen T-Shirts sind pitschnass. Tut das diesen alten Männern noch gut? Ist das womöglich mitleiderregend? De La Soul geben keinen Anlass für solche Überlegungen. Das Hip-Hop-Trio holt und haut alles raus, was seine Fans hören wollen – und wird dafür über alles geliebt.

Natürlich, Kelvin Mercer, David J. Jolicœur und Vincent Mason sind älter geworden. Das ist kaum zu übersehen. Die Bäuche konturieren etwas deutlicher, die kreativen Frisuren aus den 1980er Jahre sind verschwunden, der Kleidungsstil eher unauffällig. Und sonst so? „Ich habe De La Soul vor 20 Jahren in Hamburg zuletzt live gesehen. Sie begeistern mich noch genauso wie damals“, sagt eine 42-Jährige, die neben mir steht und sich freut. Gefühlt bewegt sich der Großteil des Publikums in dieser Altersklasse. Jolicœur fragt deshalb frech, ob alle einen Babysitter für diesen Abend bestellt hätten. Ein bisschen Trashtalk gehört zum Geschäft.

Ihre Kernaufgabe vergessen De La Soul dabei nicht: die späten 80er und frühen 90er Jahre zurückzuholen, für einen Abend wenigstens. Das Angebot wird dankbar angenommen, das Yaam ist ausverkauft. Zwar haben die Jungs, besser: Männer, aus Long Island auch was vom neuen Album „And The Anonymous Nobody“ mit dabei; die Fans rasten aber viel lieber zu den alten Krachern aus. „Saturdays“ oder „Ring Ring Ring“ etwa. Und, natürlich, der Über-Hit von 1988: „Me, Myself And I“. Interessanterweise ist die Single zuerst in Deutschland, dann erst im Rest der Welt erschienen.

Die Art, wie De La Soul Hip-Hop macht, begeistert noch immer. Als das Trio 1987 die Szene betrat, war es dort vorwiegend darum gegangen, einen Gangster nach dem nächsten zu produzieren. Hauptsache hart, laut und düster. Das Image der vernachlässigten Großstadtjugendlichen, die in den Drogenvierteln aufwuchsen, wurde nur allzu gerne gepflegt. Bis De La Soul einen Gegenpart aufbauten. Bunte Klamotten, schräge Frisuren, und deutlich positiver gestimmt als die vielen anderen Rapper – das hatte was. Ihr Hip-Hop bezog Elemente des Jazz, Reggae, Funk und Soul mit ein. Dazu war Kreativität und Mut notwendig, beides hatten De La Soul. Das Klischee der eintönigen und einfarbigen Gangsterwelt brach die Gruppe auf und leistete damit Pionierarbeit. Insofern passte das Yaam als Veranstaltungsort denn auch bestens. Das Gelände in der Nähe des Ostbahnhofs erinnert ein bisschen an jene Blümchenwelt, in die De La Soul einladen. Aus den kleinen Hütten dringt der Duft afrikanischer Gerichte, vermischt sich das Aroma von Kochbananen mit gebratenen Hühnchen und Erdnussbuttersoße. Wer bestellt, benötigt ein bisschen Geduld. Alles dauert länger als an den Dönerläden und Currybuden im hektischen Großstadtbetrieb. Dafür kann man hier entspannen und unaufgeregt das Leben genießen.

De La Soul holen die späten 80er und frühen 90er Jahre zurück

De La Soul scheinen auch in diesem Stadium angekommen zu sein: Nichts muss mehr, alles kann. Das wissen sie wohl, weshalb ihre Performance verspielt und frei wirkt – auch wenn wahrscheinlich vieles einstudiert ist. Den ehrlichen Sound nimmt man ihnen aber gerne ab, erst recht, weil sie das Publikum auf ihre Art teilhaben lassen. Die Interaktion zwischen Künstlern und Bewunderern funktioniert mühelos. Energie überträgt sich, Vorfreude steigert sich bis hin zur Ekstase. Die Hände fliegen durch die stickige Luft, nach vorne, nach hinten, links, rechts.

Diese Musik der guten Laune funktioniert immer noch, vielleicht nicht verwunderlich in einer Welt, in der anscheinend nur noch schlechte Nachrichten transportiert werden und sich vieles immer schneller und schneller dreht.

Auch die Begeisterung der Fans geht nach dem Konzert im Netz weiter: „Yaam was De La Great, De La Funky, De La Fun!!! David, Kelvin and Vincent thanks for all your music all that time! Truely inspirational for very many people!“, schreibt einer auf Facebook. De La Soul haben zwar eine Bauch, sind aber sehr lebendig.