Wochensnack
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Schelte für Sahra Wagenknecht

Aufregung Die Linke-Politikerin kritisiert Merkels Flüchtlingspolitik. Tut sie es von rechts oder links? Viele taz-LeserInnen verteidigen sie

Verquerdenkerin Sahra Wagenknecht bei der Fraktionssitzung Foto: dpa

Wähler verdrießen

betr.: „Links blinken, rechts winken“, taz vom 27. 7. 16

Sahra Wagenknecht hat schon viel Kluges gesagt, doch beim Thema Flüchtlinge verlässt sie immer wieder humane und linke Sichtweisen. Es scheint, als wolle sie die an die AfD verlorenen WählerInnen wiedergewinnen, und macht damit den Fehler anderer Parteien, die am rechten Rand fischen wollen. Das hat nichts mit ehrlicher Politik zu tun. So verliert die Linke weitere WählerInnen und spielt dem politischen Gegner zu. Es zeigt aber auch, dass der Machtwille mancher PolitikerInnen derart groß ist, dass sie leichtfertig politische Ziele aufgeben und damit den Verdruss der WählerInnen vorantreiben. Mir geht es so.

JÜRGEN KORELL, Wiesbaden

Ärgerlich

betr.: „Links blinken, rechts winken“, taz vom 27. 7. 16

Sehr ärgerlich die heutige erste Seite der taz mit ihren aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von Sahra Wagenknecht. Sie werden skandalisiert, obwohl sie zum Teil einfach sehr naheliegende Gedanken ausdrücken.

Es ist sicher richtig, dass sie im Sinne des Kommentars von Anja Maier angreifbar sind und ich hätte auch nichts dagegen, wenn das Ganze im Inneren des Blattes im Zusammenhang behandelt worden wäre. Stattdessen hätte ich mir auf Seite 1 einen Artikel zum Thema „Kein Elterngeld für diejenigen, die es am nötigsten haben!“ gewünscht. Ich finde, dies ist der Skandal des Tages und ich sehe da auch einen direkten Zusammenhang zu den Bedenken, die die Linke am ehesten formuliert und die bestimmt auch Teile der Bevölkerung wütend macht.

MARION MEYFAHRT, Kassel

Das sind Fakten

betr.: „Der Sound des Populismus“, taz vom 27. 7. 16

Was ist daran populistisch, geschweige denn rechtspopulistisch, wenn Sahra Wagenknecht Fakten benennt? Insofern sind ihre Aussagen eben nicht faktenfrei, vielleicht emotionalisierend, aber auf keinen Fall spiegeln sie wider, dass sie nicht an Lösungen interessiert ist.

Der Kommentar von Anja Maier macht deutlich, dass wir immer mehr Gefangene unserer politischen Korrektheit werden.

JÜRGEN REITH, Neuss

Kontrollverlust

betr.: „Links blinken, rechts winken“, taz vom 27. 7. 16

Mit all dem, was Frau Wagenknecht vorgehalten wird, hätten Sie sie in einem ausführlichen Interview konfrontieren sollen. In den jeweiligen Kontext, in dem diese Sätze gesagt oder geschrieben wurden, wieder eingeordnet, was ist denn daran falsch? Die Rechten haben jahrzehntelang das Mantra „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ wiederholt. Nichts ist geschehen auf dem Gebiet einer aktiven Einwanderungspolitik, administrativ, sozial, pädagogisch, psychologisch.

Und obwohl jeder wusste oder hätte wissen können, was sich in den Herkunftsländern der Flüchtlinge abspielt, ist auch dort keinerlei Anreiz geschaffen worden, dass die Menschen bleiben.

Die Folge des Ansturms ist ein anhaltender Kontrollverlust auf allen Ebenen, zumindest Ratlosigkeit und Überforderung, trotz der Anfangserfolge und des weit verbreiteten guten Willens der Beteiligten.

Dieter Reichel, Meinerzhagen

Berechtigte Kritik

betr.: „Links blinken, rechts winken“, taz vom 27. 7. 16

Ich bin immer wieder dankbar, für die Denkanstöße, die mir diese Zeitung anbietet. Trotzdem beobachte ich seit einigen Monaten ein Phänomen, welches ich mit der „mangelnden Solidarität im linken Lager“, beschreiben möchte. Die Kofraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht wird mit Zitaten in eine Ecke mit Frauke Petry, Andreas Poggenburg und anderen rechten Klappspaten gestellt. Diese populistische Sichtweise und einseitige Betrachtung der Äußerungen von Frau Wagenknecht helfen aber nur denjenigen, die wir (als gesammelte Linke) eigentlich zu bekämpfen suchen.

Wenn Wagenknecht völlig berechtigt die konzeptlose Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisiert, kann ich darin keine rechte Kritik an Geflüchteten lesen. Dieser Satz stellt doch hingegen viel eher eine Beschreibung der letzten Monate dar, wo nur durch den freiwilligen Einsatz Tausender Helfer ein völliger Zusammenbruch des gesamten Versorgungssystems für die Geflüchteten verhindert werden konnte! Gerade die taz hat doch immer wieder über die unhaltbaren Zustände am Lageso in Berlin berichtet und so veranschaulicht, was passiert, wenn man ohne Plan handelt. Und ehrlich gefragt: Ist es nicht vielleicht politisch gewollt, durch solche Zustände die Bevölkerung gegen Geflüchtete aufzuhetzen?

Auch sind nicht alle AfD-Wähler überzeugte Rassisten und Nazis. Sondern das sind Leute, die vor allem die Erfahrung gemacht haben, dass sie es sind, die für die gesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre wie die Finanzkrise zur Kasse gebeten werden, und nicht diejenigen, die problemlos etwas von ihrem Reichtum abgeben könnten. Philip Fleischer,Rostock

Nicht fair

betr.: „Der Sound des Populismus“, taz vom 27. 7. 16

Deutschland steht vor der größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung und es ist richtig zu sagen, dass wir es so, wie es zurzeit läuft, nicht schaffen! Ohne zusätzliche Investitionen, mehr Angebote für Sprachkurse, mehr Helfer, die dann auch den Mindestlohn erhalten sollen, ist eine nachhaltige Integration kaum zu bewältigen.

Am sinnvollen Einsatz von Milliarden zur Bankenrettung und als Preis der Wiedervereinigung hat kaum jemand gezweifelt.

Sahra Wagenknecht für Sätze anzugreifen, die nur plumpe Schlagzeilen darstellen und keinerlei Details aufzeigen, ist nicht fair. Gäbe es mehr Politiker/innen ihres Schlages, wäre unser Land nicht so gespalten. Und dass sich von rechts Herr Poggenburg freut – geschenkt! Zwischen beide Parteien passt viel mehr als eine dicke Betonplatte.

MICHAEL ZYDER, Backnang

Am Pranger

betr.: „Der Sound des Populismus“, taz vom 27. 7. 16

Sahra Wagenknechts Äußerungen, die skandalträchtig auf der taz-Titelseite prangen, sind allesamt schlicht simple Sätze, die sich an der Realität orientieren. Und die kann manchmal wehtun.

Der eigentliche Skandal besteht doch darin, dass man Sahra Wagenknecht dafür nun an den Pranger stellt. Und das in einer Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt, so tolerant, offen und demokratisch zu sein. Und die taz meint offensichtlich, dass sie da ganz vorne als Sprachrohr mit dabei sein muss. „Der Text, der Ton, das Relativieren, alles fühlt sich unheimlich vertraut an“: Es ist unverschämt wie die Kommentatorin damit Sahra Wagenknecht kaum noch unterschwellig zuruft, geh doch nach drüben, zu den Populisten, das heißt zu den Rechten. Dabei ist das Relativieren bereits die Folge des Antizipierens genau solcher Kommentare und der zu erwartenden Hetzjagd auf Sahra Wagenknecht. Ein Grund mehr sie beim nächsten Mal zu wählen.

ANDREAS HOERMANN, Frankfurt