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Früher gab es einmal etwas, das Sommerloch hießLove Trumps

Kolumne Bridge & Tunnel

von Ophelia Abeler

Was kann man im Moment denn noch sagen, das nicht James Baldwin, der Dalai Lama oder Leonard Cohen bereits besser formuliert hätten?

Ich bediene mich zuerst bei James Baldwin: „Ich vermute, einer der Gründe, warum Menschen so hartnäckig an ihrem Hass festhalten, ist, weil sie spüren: wenn der Hass einmal verschwunden ist, werden sie gezwungen sein, sich mit Schmerz zu beschäftigen.“

Das ist anwendbar auf Selbstmordattentäter, Amokläufer, Polizisten, die Afroamerikaner töten, Polizistenmörder und, nur der Vollständigkeit halber, denn ich habe die Schnauze voll davon, über ihn zu schreiben, Donald Trump. (Bis November werden wahrscheinlich die Buchstaben T, r, u, m und p meiner Tastatur Selbstmord verübt haben.)

Es ist schwierig, von hier aus die Atmosphäre in Europa richtig einzuschätzen, wenn einen täglich ausschließlich furchtbare Nachrichten erreichen. Überhaupt scheint es ja zunehmend die Eigenschaft von Nachrichten zu sein, furchtbar sein zu müssen, alles andere ist ­Bored Panda. Nachrichten aus Deutschland gab es früher im Juli kaum, stattdessen gab es etwas, das Sommerloch hieß und mit Bildern von Eis essenden Kindern oder Teenagern im Freibad gefüllt wurde, dazu Bildunterschriften wie „Fröhliche Gesichter im Einkaufszentrum“ oder „Lara und Kaja genießen den Badespaß“.

Jetzt werden Lara und Kaja „von bärtigen Männern beleidigt“ und trauen sich nie wieder ins Freibad, ins Einkaufszentrum allerdings auch nicht, denn dort könnte ein wütender Klassenkamerad aufschlagen und sie beide erschießen. In Deutschland gibt es neuerdings Möglichkeiten, sein Leben zu verlieren, die man früher nicht auf dem sogenannten Schirm gehabt hätte.

Aber Sommerferien in Frankreich oder der Türkei? Vielleicht doch lieber Cornwall, obwohl es dort auch im Hochsommer wolkenverhangen ist.

Aus den fröhlichen Gesichtern sind verstörte Gesichter geworden, zumindest aus meiner transatlantischen Perspektive, die durch die Berichterstattung zum Tunnelblick zu werden droht.

„There is a crack in everything / That’s how the light gets in“ singt Leonard Cohen, und ich suche die Risse in den Tunnelwänden, durch die Licht kommen könnte, und die Risse in dem Hass von Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, aber auch in dem von Omar Mateen auf meiner Seite des Ozeans, um nur zwei der vielen Männer, Söhne, Väter und Brüder zu nennen, die in den letzten Wochen zu Mördern geworden sind.

Ein weißer Polizist und eine schwarze Polizistin steigen in meine U-Bahn und ich denke nicht mehr, wie noch vor Kurzem, jetzt bloß nix falsch machen, sondern: Hoffentlich tut denen keiner was.

Aber was sagt der Dalai Lama zu alledem? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, keine Ahnung, ob er sich konkret zu den Vorfällen der letzten Wochen geäußert hat. Den Dalai Lama hatte ich nur aufgeführt, weil er natürlich bereits schon immer einen sehr wahren Ausspruch passend zu jeder nur weltenmöglichen Situation getätigt hat, und diese Aussprüche beginnen häufig mit „I wonder“, und man liest sie und denkt, genau – genau das frage ich mich auch, und die Lösung lautet eigentlich immer „unconditional love“, „bedingungslose Liebe“, und da checkt man als Westler dann in der Regel aus, weil man dafür erst einmal 100 Jahre lang meditieren müsste, und so alt wird keiner von uns.

Es macht aber auch nichts, dass ich hier kein Zitat des Dalai Lama anführen kann, im Nondualen sind er und Leonard Cohen sowieso eine Person. Dafür habe ich eine überraschend dalailamahaft anmutende Passage aus der Parteitagsrede des derzeit einzigen afroamerikanischen Senatsmitglieds der Demokraten, Cory Booker.

Booker erklärte zunächst den Unterschied zwischen Liebe und Toleranz. Amerika sei nicht berufen, eine Nation der Toleranz zu sein, sondern eine Nation der Liebe. Toleranz heiße nur, das Recht des Anderen auf Andersartigkeit zu dulden, aber keinen Unterschied zum Guten oder Schlechten zu verspüren, wenn der andere verschwindet. Aber Liebe, Liebe erkenne, dass wir einander brauchen, dass wir zusammen stärker, ja unbesiegbar seien.

Und jetzt der Satz, der zu frenetischem Jubel im Publikum führte und zu dem Schilder mit der Aufschrift „Love Trumps“ hochgehalten wurden: „This understanding of love is embodied in the African saying: If you want to go fast, go alone, but if you want to go far, go together.“

Um das zu verstehen, muss man zum Glück weder meditieren noch gut Englisch können. Aber man braucht Risse, durch die diese Erkenntnis einsickern kann.

Ophelia Abeler ist Kulturkorrespondentin der taz in New York

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