LeserInnenbriefe
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Nichts für die Titelseiten?

betr.: „80 Tote bei Anschlag in Kabul“, taz vom 25. 7. 16, Seite 10

Eine grausame, menschenverachtende Tat! Und dennoch wird sie in dieser Woche wohl in keiner einzigen deutschen Zeitung auf der Titelseite stehen. Selbst auf den Startseiten der Online-Auftritte überregionaler Tages- und Wochenzeitungen ist am Sonntag in den seltensten Fällen ein Artikel zu finden. Das Wenigste von dem, was in der Welt passiert, haben wir selbst gesehen oder erlebt. Wir sind angewiesen auf die Berichterstattung der Medien. Und die Berichterstattung trägt dazu bei, auf welche Art und Weise wir die Welt wahrnehmen.

Weil mittlerweile deutlich weniger Geflüchtete in der EU und in Deutschland ankommen, gibt es Politiker, die meinen, die „Flüchtlingskrise“ sei beinahe „gelöst“. Dass es zu solchen Aussagen kommt und dass es kaum hörbaren Protest gegen solche gibt, liegt auch daran, dass nicht nur die Probleme einfach nach außen verlagert worden sind, auch die Berichte darüber sind verlagert worden. An die Außengrenzen der Medien. Irgendwo auf Seite 18 steht etwas über die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern auf Lesbos. Die Meldung, dass bei einem Angriff der Anti-IS-Koalition in Syrien Anfang letzter Woche 56 Zivilisten getötet wurden, hat es nicht einmal in die Tagesschau geschafft.

Wenn es Brennpunkte und Sonderseiten darüber geben würde, wie jeden Tag Muslime ermordet werden, wenn Attentate im Nahen Osten nicht nur eine Kurzmeldung wert wären, weil solche Dinge „dort eben passieren“, wenn deutlich werden würde, dass die Anschläge im Irak, in Syrien, in Afghanistan so grauenvoll und sinnlos und unbegreiflich sind wie die Anschläge im Westen, gäbe es dann mehr Verständnis dafür, dass die Menschen davor fliehen? Wir können nicht mehr so tun, als würde uns das, was dort passiert, nichts angehen. Erst seit der Flüchtlingskrise scheint offensichtlich, dass die Geschichten und Gegenwart der Menschen dort und hier irgendwie miteinander verbunden sind. Aber wir müssen aufhören, dass nur in den Momenten zu erkennen, in denen wir meinen, selbst betroffen zu sein. Als ob Gewalt nur die Folge von Flucht und nicht deren Ursache wäre. Und als ob sie auf einer Seite weniger schrecklich wäre.

JANA BORCHERS, Mainz

Warum so eilig?

betr.: „Sollten Radfahrer rote Ampeln ignorieren dürfen?“,taz vom 22. 7. 16

Manche Debatte verstehe ich ehrlich gesagt überhaupt nicht mehr. Der rote Ampel-Beitrag von Gereon Asmuth ist so ein Beitrag, der mich fragen lässt, warum ich eigentlich den Politischen Preis für die taz zahle, um solchen Unsinn vorgesetzt zu bekommen.

Herr Asmuth meint, wenn er die rote Ampel nicht beachtet und natürlich alles im Blick hat, sei alles in Ordnung. Klar, was für ihn persönlich gut ist, ist für alle gut. Neoliberales Gequatsche. Er geht leider davon aus, dass die anderen sich an Verkehrsregeln halten, sonst würde ihm der Überblick doch wahrscheinlich deutlich schwerer fallen. Wie wär’s mit dem Auto im Gegenverkehr auf seiner Spur oder dem Radweg? Würde er seinen Kindern ein solches Verhalten empfehlen? Ich glaube, da ist Selbstüberschätzung im Spiel. Und warum hat Herr Asmuth es eigentlich so eilig? Kann er nicht mal zwei Minuten warten? Lebt er besser, weil er es immer eilig hat. Oder muss er sich gar so beeilen, damit er entspannt den Kaffee genießen kann? Diese Debatte ist überflüssig. WOLFGANG NITSCH, Bremen

Hier setzt das Denken aus

betr.: „Explosion der Intelligenz“, taz vom 22. 7. 16

Die „Künstliche Intelligenz“ ist etwas, das eine umfassende Lösung beziehungsweise Gefahr enthält, die es so nicht geben wird. Extreme Veränderungen sind ohne Zweifel da wie die Atomkraft. Der Film „2001: Odyssee im Weltraum“ zeichnet schon das Bild von Nick Bostrom. Nur ging Stanley Kubik einen Schritt weiter: Er (und sein Autor) erforscht, wie es mit dem Leben weitergeht, wie die Veränderung nach dem Tod mit dem Individuum vollzogen wird. Hier setzt das Denken aus. Hier ist eine andere Dimension im Spiel, eine Dimension, mit der sich Philosophie und Bewusstseinsforschung beschäftigen. Bereits in der Antike. Kant, Hegel und Derrida sehen in der Mathematik nur die Grenze unserer Erkenntnisse. Da kann die Künstliche Intelligenz nichts Weiteres erreichen, auch wenn Analog = Welle + Holografie zu den Digitalalgorithmen dazukommen. Alle Menschen, sogar Pflanzen und Tiere sind mit einer Bewusstseinsebene verbunden, die auf reine Intelligenz verzichtet. Woher sie kommt und wohin sie geht, ob zeitlich oder ewig: Das ist die eigentliche Frage. Ich halte die zerstörerischen Kräfte wie Krieg, Terrorismus und Machtpolitik der Menschen für gefährlicher.

JOHANNES SPARK, Bremen

Todesstrafe nicht pakttauglich?

betr.: „Der vertrackte Pakt“, taz vom 23. 7. 16

Die Autoren zitieren Steffen Seibert im Saal der Bundespressekonferenz, drei Tage nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei: „Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der EU sein.“ Gut so. Kann es aber Mitglied in einem anderen „vertrackten Pakt“ sein, zum Beispiel in der Nato? Dort wäre es ja nicht das erste Land, in dem die Todesstrafe existiert ...

MARIANA MUNK, Hamburg