LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Abitur für Arbeiterpartei

betr.: „Die Frau mit zwei Leben“, taz vom 21. 7. 16

Das Schlimme ist für mich, wenn man meint, man müsste Abitur und einen Universitätsabschluss haben, um für eine Arbeiterpartei im Bundestag zu sitzen und für die Rechte der kleinen Leute zu kämpfen. Der Bundestag sollte einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen und nicht nur von Juristen, Soziologen, Pädagogen, Beamten und Theologen besetzt sein! Genau das ist auch ein Grund für die Ferne der Politik von den gesellschaftlichen Herausforderungen im Land und in Europa!

MARKUS MEISTER, Kassel

Nickerchen am Steuer

betr.: „Fahrer auf dem Fahrersitz“, taz vom 19. 7. 16

Es geht ja darum, dass immer mehr Verantwortung abgegeben wird. Praktisch, wenn die Mörder dann Maschinen sind. Buchempfehlung mal von Leserseite: Die „Waschmaschinentragödie“ von Stanislaw Lem. Und wenn Technik darüber entscheidet, wem sie ausweicht, dann ist der Mensch wohl fein raus, der während der Fahrt am Steuer ein Nickerchen gemacht hat. Ein Mensch muss entscheiden, dass er natürlich nicht in eine singende Kindergartengruppe fährt.

Im Pflegebereich längst angedacht die Roboter, die man ja dann auf Gefühlsmodus stellen kann. Und wenn der versagt, nicht füttert: Pech gehabt. Ob „Love machine“ Supermax, – „the best you can get fifty miles around“ – mal nicht die Katastrophe wird für die Männer, weil er keine Müdigkeit kennt und danach auch vielleicht noch putzt, muss uns heute nicht interessieren. Unser Robby, dann viele Cyborgs, und multiple Persönlichkeiten: Penis vom Unfallopfer als Organspende, das neu aufgezogene Gesicht für das Unfallopfer, Attentatsopfer …

Aber der Deutsche Ethikrat wird schon aufpassen. Die Kirchen wohl auch, ist ja ihre Aufgabe. Lem prognostizierte den Loverboy schon für 2012. Vielleicht gibt es sie ja längst …

MARTINA LENZEN, München

Sehr unterschiedliche Frauen

betr.: „Ikonen des Widerstands“, taz vom 14. 7. 16

Selten habe ich einen so projektiv-klischeehaften Artikel gelesen wie den von Katrin Gottschalk: Dass „Kämpferinnen“ in Ihren Augen gleich zu „Poster-Girls einer Welt, von der wir träumen“, werden, ist mir schon ein Rätsel. Welche Welt meinen Sie? Die der Kämpferinnen, die der massiven Gewaltanwendung gegen ein paar Menschen, die sich trauen, sich ihr entgegenzustellen, oder die Welt mit nur noch schönen Frauen? Außerdem sehe ich drei sehr unterschiedliche Frauen, die durchaus verschiedene, um nicht zu sagen: diverse Haltungen gegenüber der Gewalt der aufmarschierenden Männertrupps einnehmen. Aber ich will gar nicht weiter interpretieren. Warum die Frauen dann für das „Reine“ stehen (und natürlich wieder alle drei abgebildeten Frauen), „das man selbst gerne hätte“, bleibt wiederum Ihr (projektives) Geheimnis.

Auch die von Ihnen beschworene „Sanftmut“, „das Familiäre, das Private“ kann ich den Bildern nicht entnehmen, sondern muss es wiederum Ihren Projektionen zuschreiben. Und dass der Kampf für eine bessere Gesellschaft auch den eigenen Kindern zugutekommen soll, halte ich weder für einen weiblichen noch für einen privaten, sondern für einen zutiefst menschlichen und durchaus politischen Wunsch.

Jetzt muss ich Sie leider vollständig zitieren, weil es mir hier die eigene Sprache verschlägt: „Im Prinzip denken wir Frauen noch immer als wehrlos und schwach. Sie bleiben damit passive Objekte und werden nicht zu handelnden Subjekten – obwohl sie sich hier entgegenstellen.“ Noch nie habe ich eine Textstelle gelesen, die in so fundamentalem Kontrast zu den Bildern, die sie angeblich kommentieren soll, steht.

Und abschließend: Warum kann eine starke Frau nicht einfach eine „starke Frau“ sein, warum machen Sie sie zu einer „anbetungswürdigen Ikone“? Zumal weder Sie noch ich wissen, ob die abgebildeten Frauen „starke Frauen“ sind oder ob sie einfach in dieser Situation Stärke zeigten, möglicherweise durchaus gemischt mit (durchaus realistischen) Ängsten bezüglich der Gewalt, mit der sie sich konfrontiert sahen.

ANDREAS SCHUBERT, Köln

Spielen Werte eine Rolle?

betr.: „Das Ende eines Prinzips“, taz vom 19. 7. 16

Ihrem Kommentar kann ich weitgehend zustimmen, und doch fehlt mir etwas, wenn davon geschrieben wird, dass nichts Geringeres „als die innenpolitische Glaubwürdigkeit der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin“ auf dem Spiel steht.

Es ist noch nicht so lange her, dass die gesamte CDU sich nicht genug empören konnte, als es um das Thema „Unrechtsstaat DDR“ ging. Und heute? Der Türkei wird alles verziehen, Waffenlieferung an den IS, Krieg gegen die Kurden, Abbau der Abgeordnetenrechte, Einschüchterung der Journalisten und nun Aufruf zur Lynchjustiz und massenhafte Säuberung wie zu Stalins Zeiten. Es geht nicht nur um die Fragwürdigkeit des Flüchtlingsdeals. Sondern darum, ob Werte überhaupt in Europa und damit auch in Deutschland künftig noch eine Rolle spielen: Rechtsstaat und Menschenwürde als Maßstab. Oder sind wir nicht schon auf dem Weg, der gepflastert ist mit den Erscheinungsformen faschistischer Einstellungen, ein ganzes Stück weit gekommen? ULRICH HEMKE, Stade