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Berliner SzenenIm Freibad Pankow

Los, spring schon!

Ich sitze in der Sonne und bin froh, dass ich nicht da oben stehe

Es ist Sommer. Bei uns heißt das: Freibadsaison. Wir haben schon im April eines dieser supergünstigen Mehrfachtickets der Berliner Bäder-Betriebe erworben und kommen jetzt zum Spottpreis ins Freibad Pankow und zwar – und das ist das Beste: an der Schlange vorbei durch den „Express-Eingang“.

Schnell einen Platz suchen, abduschen und rein ins Wasser. So geht das den ganzen Sommer, mehrmals wöchentlich.

Das Kind hat sich für diesen Sommer Großes vorgenommen: Nachdem er im letzten Jahr den Sprung vom Dreimeterbrett geschafft hat, will er es dieses Jahr vom Fünfer schaffen. Ich finde das ganz schön hoch und hab mich das noch nie getraut. Aber ich bin ja auch alt.

Mit Grauen denke ich an das Schwimmbad meiner Kindheit, an die vielen Momente, wo ich fast heulend vor Angst an der äußersten Kante des Dreiers stand und die Jungs von unten brüllten: „Los, spring schon!“ Ich sprang dann tatsächlich. Die Angst ist geblieben. Gut, dass ich so was heute nicht mehr tun muss.

Das Kind ist zehn. Er muss das tun. Seit Wochen beobachtet er, wie junge Araber aus dem Wedding sich in immer gewagteren Sprüngen überbieten. Und ganze Gruppen brüllen: „Los, spring schon!“ – genau wie die Jungs früher. Ich sitze in der Sonne an den Bademeister-Tower gelehnt und bin froh, dass ich nicht da oben stehe.

Diesen Sonntag war das Kind allein mit Freund Noah im Bad. Es nieselte stark, und ich hatte keine Lust mitzugehen. Stolz kommt er am späten Nachmittag zurück. „Und Mama, weißt du was? Ich bin dann auch vom Siebeneinhalber gesprungen.“ Ich unterdrückte meinen Neid und frage nach Details. „Noah hat von unten geschrien, dass ich am Montag vor meiner ganzen Klasse total angeben kann, wenn ich mich traue. Da bin ich gesprungen.“

Ich hätte es wissen müssen. Das ist das ganze Geheimnis. Nicht einschüchtern, sondern ermutigen. Den Trick sollte man viel öfter anwenden. Vielleicht klappt das dann bei mir auch. Aber nur bei Regenwetter. Wenn keiner zuschaut. Gaby Coldewey

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