Eine reichlich überforderte Frau

POSTPOPLITERATUR Elke Naters erzählt in „Später Regen“ mit Leichtigkeit vom Scheitern

Die Mutter hangelt sich, so gut es geht, durchs rundum frustrierende Leben

Lange vorbei die Zeiten, als sich die zweite oder dritte Generation deutschsprachiger Schriftsteller an Popliteratur versuchte. Kracht, Stuckrad-Barre, Goetz als älterer Spiritus Rector, Bessing, Hennig von Lange, das waren so die Namen damals, rund ums Millennium. Mittendrin und doch am Rand das Paar Elke Naters und Sven Lager, das vielerlei Aufbau- und Organisationsarbeit verrichtete, etwa zum Szenetreff-Blog „Am Pool“.

Lange vorbei auch die Zeiten, als Elke Naters noch als Hot Chick galt und mit der Ankündigung, nackt zu lesen, viele Interessierte zu einer Lesung in Hamburg lockte. Überflüssig zu erwähnen, dass sie ihr Versprechen nicht einhielt. Inzwischen grüßt Frau Naters als Ehefrau und mehrfache Mutter weißhaarig und mit Kegelklubfrisur von ihrem Autorenfoto. „Später Regen“ ist ihr fünfter Roman, und der hat mit Popliteratur nicht mehr so viel zu tun.

Und doch: Er ist ein Unterhaltungsroman, der in einer leichten, lockeren Sprache gehalten ist und sich mit Gegenwart auseinandersetzt. Nur dass er in Südafrika spielt (der Wahlheimat des Immer-noch-Paars Naters/Lager) und als Hauptfigur eine mit wirklich allem überforderte Mutter vierer Töchter aufführt. Vom Ehemann verlassen, ohne Einkünfte außer den gelegentlichen Alimenten, von der Mutter gemieden und gesegnet mit einem weiteren Kind, das sich langsam in ihrem Bauch breitmacht.

Erzählt wird das Ganze von ebendiesem werdenden Kind, einer weiteren Tochter, nur von einem anderen Mann. Was an sich ein netter Trick ist. Die Schwangerschaft und ihre Umstände erweisen sich natürlich als schwierig: Die Mutter, Anna, hangelt sich, so gut es geht, durchs rundum frustrierende Leben und zieht ihre Töchter mit; fliegt aus der einen Wohnung, trifft einen alten Mann, um den sie sich plötzlich liebevoll kümmert und der so etwas wie die Rettung sein könnte, was sie aber vorerst nicht sehen kann; quartiert sich dann bei ihrer besten Freundin ein, mit der sie sich auf Dauer natürlich auch verkracht und so weiter. Eine schmerzlich gewöhnliche Abfolge von privatem Scheitern also. Aber von diesem Scheitern wird nicht kalt, sondern gewissermaßen warm erzählt, mit Empathie.

Eine Genealogie von Fehlern. Darauf muss man sich einlassen wollen. Auch darauf, dass kaum etwas ausgelassen wird an persönlichen, meist selbst verschuldeten Abgründen. Depressionen können so unterhaltsam sein! Auch die älteste Tochter, ihrerseits im Clinch mit ihrer Mutter, sondert sich ab, tagträumt und beginnt das Ritzen. Von in diesem Fall fast ausschließlich über die mütterliche Linie übertragenem Fehlverhalten wird hier erzählt, und das auf eine psychologisch nachvollziehbare Weise.

Und es geht, nebenbei bemerkt, weniger darum, dass eine Lebensschützersicht probiert wird, wie es in einer anderen Kritik zu dem Buch stand. „Später Regen“ hat andere Schwächen: Der Roman ist spannend erzählt, aber nahe am Kitsch. Vögel und Landschaften, die Klischees einer „weiblichen Sicht“: „Nora ging hinaus in die Dämmerung. (…) Der Mond, ein halber, hauchdünner Goldring, hing im graublauen Himmel und direkt darunter ein funkelnder Stern. Der einzige Stern am Firmament. Das musste die Venus sein, dachte Nora.“ Und es gibt ein Ende, das bei all der Vorgeschichte irgendwie zu rund kommt.

Große Literatur ist „Später Regen“ natürlich nicht, dafür ist die Sprache zu simpel und das Erzählte zu nah an den Figuren. Im Grunde hält der Roman das Niveau einer tragischen Geschichte, die so vielleicht als Fortsetzungsroman in der Zeitung Eltern stehen könnte.

Trotzdem liest man das gerne, weil es eben so weitgehend schlicht gehalten ist und über große Strecken einfühlsame Unterhaltungsliteratur auf einem psychologisch korrekten Niveau bietet. Das ist wirklich nicht das Schlechteste.

RENÉ HAMANN

Elke Naters: „Später Regen“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012, 256 Seiten, 18,99 Euro