HASCHERL KERNER, NUSCHEL-WICKERT, ROLAND BERLUSCONI-KOCH
: Allmachtsfantasien im Testosteronsumpf

Liebe taz-Medienredaktion, ich melde mich heute direkt aus dem medialen Testosteronsumpf. Ich wate durch einen Morast aus Eitelkeit, Selbstüberschätzung und Allmachtsfantasien. Ich habe Herrenwoche, sozusagen.

Fangen wir mit dem ärmsten Hascherl an. Dem Kerner-Johannes. Dessen neue Sendung läuft so katastrophal, dass er einen neuen Sendeplatz bekommt. Aha. Hä? Also, von vorn: Das Aushängeschild des ZDF, die Allzweckwaffe, der Quotengarant, der Mann, der sich jede Schlichtheit erlauben konnte, wechselt zu Sat.1. Dort will ihn keiner sehen. Was ein spannendes Phänomen ist. Eines, das Fragen aufwirft. Zum Beispiel, ob ZDF-Zuschauer in Käfigen gehalten werden, damit sie zur Quotenmessung alle am Platz sind? Ob sie keine Finger haben, mit denen sie eine Fernbedienung bedienen können? Ob sie vielleicht so müde Augen haben, dass sie die Tasten nicht erkennen? Ob das ZDF geschummelt hat, und es diese Leute nie gab? Oder ob Sat.1 schlichtweg gar keine Zuschauer hat, die den Kerner gucken könnten? Das ist das eine.

Das andere ist: Seine Sendung wird jetzt donnerstags ausgestrahlt. Und da frag ich mich, warum sollten Menschen, die am Montag den Sat.1-Knopf nicht drücken, um Kerner zu sehen, die Möglichkeit haben, es am Donnerstag auch nicht zu tun?

Wen man ja auch nur noch selten sieht, egal, welchen Knopf man drückt, ist Mr Tagesthemen a. D., Ulrich Wickert. Er war nun zur Stelle, um in der FAZ einen Niveauverfall bei den Nachrichtensendungen zu beklagen. Da ging ein kleines Rücklein durch die Medienlandschaft, und es gibt kaum einen, der die Kritik nicht auf das Alter Wickerts (66) bezieht. Allen voran Kurt Kister von der Süddeutschen, der anscheinend auf diese Art seine Jugend (52 Jahre) beweisen muss.

Dabei liegt das Interessante doch ganz woanders. Nämlich da, dass Ulrich Wickert zwar ein besseres Deutsch gesprochen haben mag, man dies aber oft genug nicht verstand. Nuschel-Uli war das avantgardistische Wagnis der ARD, jemanden als Anchorman vor die Kamera zu setzen, der immer so klang, als hätte er seinen Feierabendwein schon vor der Sendung getrunken.

Apropos Nuscheln: Ich brauche dringend ein Blog. Dann hätte ich mich ganz zeitnah über den Brief lustig machen können, den ich letzte Woche von Jony Eisenbergs Anwalt bekommen habe. Nicht weil er den Wunsch äußerte, ich möge seine Rechtschreibfehler korrigieren, nein, um mir das weitere Schreiben über den taz-Anwalt Eisenberg madig zu machen. Nun ist der Jony ja nicht irgendein Dummkopf, sondern ein ziemlich gewitzter Kerl. Und ahnt wahrscheinlich: Mit so was stachelt man die blöde Helmtante richtig auf. Was also ist die beste Strategie gegen Bedeutungsverlust in der öffentlichen Wahrnehmung? Der Kuh autoritär zu kommen. Und? Siehste, Jony, klappt doch! Aber nur noch dieses eine Mal. Danach ist Schluss!

Gegen Bedeutungsverlust kämpft auch der kleine Koch, womit wir zum letzten Selbstinszenierer der aktuellen Herrenwoche kommen. Am Freitag ist der große Tag von Roland Berlusconi-Koch, dann geht es für ihn darum, seine Potenz zu beweisen und Nikolaus Brender wegzudrücken. Bedeutende Journalisten haben Montag eine Petition eingereicht, die Grünen eine aktuelle Stunde im Bundestag beantragt und 35 Staatsrechtler ihre Bedenken geäußert. Es wird spannend. Wenn Koch sich durchsetzt, hat er nicht nur seinen feudalherrschaftlichen Willen, er hat auch hochrangige Persönlichkeiten brüskiert. Und wieder einmal bewiesen, wie egal ihm demokratische Grundsätze doch sind.

Damit zurück nach Berlin!

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