Barock im Blick

Die erste Spielzeit unter Jürgen Flimm ist zuende: „Wir haben gedacht, es würde schwieriger“, sagt der zweite Intendant der RuhrTriennale

AUS BOCHUMPETER ORTMANN

Im strömenden Regen steht ein Mann in Essen und blickt über die Zeche Zollverein. Im Hintergrund hört man noch leise Elisabeth Leonskajas Klavier bei „Nächte unter Tage“. RuhrTriennale-Intendant Jürgen Flimm pirscht sich an. „Wie war es denn?“ Der frisch gekürte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) stöhnt verklärt: „Endlich konnte ich einmal den ganzen Politikkram vergessen“.

Die Anekdote zeigt, welchen Stellenwert der Kulturleuchturm inzwischen hat. „Die Miesmacher sind verschwunden“, sagt Flimm in der Bochumer Jahrhunderthalle und ist mit seiner ersten Spielzeit immerhin 82 Prozent zufrieden. Die Gesamtauslastungszahl liegt knapp unter Gerard Mortiers letzter Spielzeit. Dennoch sei man eigentlich zufrieden, so der Intendant beim Abschlusszahlengewitter. 18 selbst produzierte Veranstaltungen, die jetzt von vielen Theatern in der Republik nachgefragt werden. So werden Mnozil Brass ihr „Trojanisches Boot“ nun auch am Wiener Burgtheater spielen. Das Fußball-Oratorium „Die Tiefe des Raumes“ von Moritz Eggert geht an die Komische Oper in Berlin. 120 Aufführungen, rund 70.000 Besucher und 45.000 Kartenverkäufe machen die RuhrTriennale auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg. „Wir haben keinerlei finanzielle Probleme“, sagt Flimm. Es sei eine sehr, sehr schöne Zeit gewesen. „Es handelt sich um eine Steigerung“, sagt Uli Stepan, die technische Betriebsdirektorin. „Wenn man aus Salzburg kommt“, fügt sie lächelnd dazu.

Jürgen Flimm hat für die nächste Spielzeit das Barock schon fest im Blick. In dieser Epoche ist nicht nur die Kulissenbühne entwickelt worden. Händel, Bach, Rubens oder Tizian. Nach der Romantik wird es kunsttheoretisch wohl noch etwas schwergewichtiger werden. Mit dabei sein werden auf jeden Fall wieder der Berliner Theaterguru Frank Castorf, der Figurentheater-Event Fidena und Dortmund. „So eine große Stadt kann niemand außer Acht lassen“, sagt Jürgen Flimm. Dortmund müsse endlich mit dabei sein.

Nur in der Konzertreihe „Century of Song“ kann am Wochenende bei der wilden Gospel-Night noch Triennale-Luft geatmet werden. Bill Frisell stellt die wohl ekstatischste Band der spirituellen schwarzen Musikszene vor: Die Campbell Brothers aus Rochester, New York. Da werden gleichzeitig zwei Schlagzeuge und fünf Gitarristen auf der Bühne stehen. „Der nackte Wahnsinn“, flüstert Konzertmeister Thomas Wördehoff. Im nächsten Jahr wird die Triennale am 19. August wieder mit einem Fest beginnen. „Ich danke allen Steuerzahlern“, sagt Jürgen Flimm.