Wochenschnack
:

die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Straße 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Zweite Aufklärung ist dringlich

Kritische Muslime Ahmad Mansour fragt in seinem Essay, warum sich das linksliberale Spektrum mit kritischen Muslimen schwertut

Streitet für einen humanistischen Islam: Ahmad Mansour Foto: Heike Steiweg

Unzeitgemäß

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7. 16

Auch ich erlebe immer wieder eine merkwürdige Vermischung von Sympathie und Solidarität mit den Flüchtlingen einerseits und unkritischem Hinnehmen von konfessio­nellen Praktiken und Statements, die undemokratisch und inhuman sind, andererseits.

Unzeitgemäß finde ich im Übrigen auch, dass nun ein Islamunterricht in die Schulen geholt wird. Wir haben einen eindeutig säkularen Staat und ein für alle gültiges „überkonfessionelles“ Grundgesetz. Daraus folgt, dass in der staatlichen Schule ein Bekenntnisunterricht – auch ein evangelisch oder katholisch geprägter – nichts zu suchen hat, wohl aber Fächer wie „Werte und Normen“ oder „Philosophie“, in denen auch Religionen und ihre Praktiken ein wissenschaftlicher Unterrichtsgegenstand sein sollten.

ORTWIN MUSALL, Rotenburg

Zweite Aufklärung

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7. 16

In Deutschland gibt es zwar eine ganze Reihe religionskritischer Menschen, Verbände und Vereine. Sie treten leider nur äußerst selten an die Öffentlichkeit beziehungsweise werden sie von den meisten Medien ignoriert. Soweit ihre Religionskritik wahrgenommen wird, trifft sie in unseren überwiegend auf den Erhalt des politischen Status quo bedachten Medien auf nur wenig Wohlwollen, meist sogar Ablehnung.

Ich vermisse ohnehin eine breite religions- und ideologiekritische Debatte, auch und besonders in der taz. Dazu passt und trifft zu, wenn Mansour schreibt: „Den kritischen Muslimen wird die Debatte in Deutschland von zwei Seiten verweigert: von den offiziellen muslimischen Verbänden und von den meisten linken, grünen Milieus.“ Denn „Muslime und Menschen mit ‚Migrationshintergrund‘ genießen bei linken, progressiven Zeitgenossen in Deutschland besondere Sympathie und Solidarität. Sie wollen damit ein Zeichen setzen gegen Rassismus und Vorurteile.“ Das ist völlig richtig. Mansour vergisst in seiner Aufzählung allerdings die größere und einflussreichere Gruppe der liberalen Konservativen. Die weitgehend kritiklose Haltung gegenüber fundamentalistischen Religionen und insbesondere gegenüber dem Islam ist gesellschaftlich sehr gefährlich, denn sie überlässt dadurch den Reaktionären im Land das Feld der berechtigten Islamkritik, die bei diesen Leuten nationalistisch und zudem rassistisch gespeist ist.

Mansours Diskussionsangebot sollten wir annehmen. Nichts ist dringlicher als eine zweite Aufklärung — diesmal weltweit, weil die Menschenrechte überall Geltung erlangen sollten.

RALPH BERTHOLD, Berlin

Gutes Beispiel

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7. 16

Ein gutes Beispiel für die Verdruckstheit gegenüber religiös und traditionell begründeter Gewalt ist tatsächlich der Kinderschutz. Kein Jugendamt darf trotz der Vielfalt der Lebensentwürfe und Religionszugehörigkeiten zulassen, dass Kinder – aus welchen Gründen auch immer – vernachlässigt oder misshandelt werden. Es gibt dafür zwar ein breites Erklärungs- und Deutungsspektrum, in der Sache aber keine zwei Meinungen.

Das gilt natürlich auch für Flüchtlingsfamilien, deren Kinder nach der Mühsal der Flucht nun einen Rechtsanspruch haben auf Schutz, wenn nötig vor ihren eigenen Eltern.

HANSJÖRG DIERS, Lübeck

Scharfe Kritikerin

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7 16

Diesen Artikel von Ahmad Mansour sollte sich jede/r in der Redaktion über den Schreibtisch heften und jedes mal lesen, bevor er/sie wieder über „antimuslimischen Rassismus“ oder dergleichen schreibt. Ich bin eine scharfe Kritikerin der katholischen Kirche, verstehe mich aber mit meinen katholischen Nachbarn sehr gut und bin deswegen noch niemals des „Rassismus“ bezichtigt worden. Kritik am Islam und seinen Erscheinungsformen ist Religionskritik, und das als Rassismus zu bezeichnen ist intellektuell erbärmlich. ULRIKE MALLWITZ-LEHWALD,

Berlin

Nie verstanden

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7. 16

Ich habe nie verstanden, warum der Islam mit „Rasse“ (welche?) gleichgesetzt wird. Jeder, dem an Aufklärung und Freiheit gelegen ist, der sollte kritische Muslime unterstützen, für mich stehen sie in der Tradition der Aufklärer im alten Europa, und er sollte nicht – indirekt – Werbung für weibliche Verschleierung machen, die ja meint, dass Frauen in der Öffentlichkeit unsichtbar sein müssen. Denn wenn die Hälfte der Bevölkerung so diskriminiert wird, kann es auch keine – wenigstens halbwegs – humane Gesellschaft geben. Ich denke, das Problem muslimischer Gesellschaften ist auch das extreme Patriarchat, ja, da war auch „der Westen“ dran schuld, weil die Geheimdienste die „Religiösen“ unterstützt haben, um Linke und Sozialrevolu­tio­näre zu vernichten.

Die einfache Gleichung: Islamkritik = Rassismus desavouiert Linke und Grüne und ist ein Verrat an allen Muslimen, die ihre Gesellschaften reformieren möchten.

ELVIRA BÜCHNER, Freiburg

Gut zu wissen

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7. 16

Herr Mansour spricht genau unser Problem an. Wir haben Angst vor Rassismus und schweigen. Und überlassen damit das Feld den Rechten. Gut zu wissen, dass es ein Forum kritischer Muslime gibt. Dies sollte in den Medien Beachtung finden, statt ständig Ditib oder den Zentralrat der Muslime in Talkshows zu hören. VERA JAHN, Syke

Religionskritik

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz.de vom 9. 7. 16

Das einstmals religionskritische linke Lager wird in den Vorständen (nicht an der Basis) von religiösen Opportunisten dominiert, welche lieber Liberale wie Mansour im Stich lassen, als Religionskritik zu üben. Denn durch Letzteres könnten ja auch die umfangreichen Kirchenprivilegien vermehrt in die Kritik geraten.

Mit Kritik am Islam, was ja immer auch allgemeine Religionskritik bedeuten würde, müssten sich die Religiösen im links-grünen Lager selbst ein Stück weit infrage stellen, was nicht zu erwarten ist.

VALTENTAL, taz.de

Danke schön

betr.: „Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, taz vom 9. 7. 16

Solange die arabische respektive muslimische Welt zersplitterte Positionen bezieht, resultierend aus religiösen oder gesellschaftlichen Imbalancen, ist ebendiese Positionierung auch gegenüber der westlichen Welt schwer zu finden.

Was wir aber tun können: Festzulegen, was wir als richtig ansehen und was als falsch. Und da haben wir noch einiges zu diskutieren. Somit danke schön für den Diskussionsbeitrag von Herrn Mansour.

TOM FARMER, taz.de