Kunst und Politik

Selbstmord mit Tiger, Charterflug mit Flüchtlingen. Die Aktion ­eines Künstlerkollektivs endete unblutig. Doch Fragen bleiben offen

Kein Flugzeug, kein Menschenfutter

Aktion Eine EU-Richtlinie bestraft Fluglinien, die Geflüchtete ohne Visum befördern. Dagegen wendete sich die Kunstaktion. Auch die Linke protestierte

BERLIN taz | Am Ende floss kein Blut. Die syrische Schauspielerin May Skaf, die sich aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung von Tigern hatte fressen lassen wollen, sagte ihren angekündigte Suizid am Dienstagabend vor dem Berliner Gorki Theater ab. „Was wäre mein Schreien gegen die ungehörten Hilferufe nachts auf dem Meer?“, erklärte sie unter Tränen.

Etwa 500 Menschen waren gekommen, um dem Ende der zweiwöchigen Performance beizuwohnen, mit der das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) auf das Sterben im Mittelmeer aufmerksam machen wollte. Die AktivistInnen hatten vier lebende Tiger in einem großen Käfig vor dem Theater gehalten und mehrfach angekündigt, Flüchtlinge würden sich öffentlich „zerfleischen“ lassen.

Das Berliner Künstlerkollektiv will erreichen, dass Asylsuchende mit dem Flugzeug nach Deutschland kommen dürfen, um nicht auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer angewiesen zu sein. Eine EU-Richtlinie und ein Bundesgesetz drohen Fluggesellschaften und Fährunternehmen enorme Strafen an für den Fall, dass sie Passagiere befördern, die kein Visum besitzen.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen hatte flankierend zu der Kunstaktion einen Antrag im Bundestag eingebracht. Sie forderte darin eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes. „Wegen dieser Regelung können Flüchtlinge nicht sicher mit einer Fähre oder einem Flugzeug reisen“, so Dagdelen – „trotz der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach jeder Mensch das Recht hat, in einem anderen Land vor Verfolgung Asyl zu suchen.“

Das ZPS hatte ein Flugzeug der Air Berlin gechartert. Es sollte am Dienstag 115 syrische Flüchtlinge aus dem türkischen Antalya nach Berlin bringen. Die Künstler hatten bei der Bundesregierung Einreiseerlaubnis für sie beantragt, diese lehnte jedoch ab. Am Montag kündigte Air Berlin den Beförderungsvertrag, der Flug wurde abgesagt.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, die Bundespolizei habe Air Berlin auf die Einreisevoraussetzungen hingewiesen. Daraufhin habe das Unternehmen entschieden, den Flug abzusagen. Was aus den 115 Flüchtlingen wurde und ob diesen von den Künstlern des ZPS tatsächlich die Ausreise nach Deutschland in Aussicht gestellt worden war, ist nicht bekannt.

Christian Jakob