Hamburg zieht den Kürzeren

TENNIS AM ROTHENBAUM Etliche Spieler sagen das Turnier wegen Konkurrenzveranstaltungen ab

Der Schock saß offenbar tief. Es dauerte zumindest ziemlich lange, bis auf der Homepage der German Open am Hamburger Rothenbaum die Teilnehmerliste für das Tennisturnier, das am Samstag begonnen hat, auf den neuesten Stand gebracht wurde. Sonderlich angenehm war die Aufgabe ja auch nicht. Es galt, zahlreiche Karteileichen aus dem bebilderten Aufgebot an Spielern zu entfernen.

Einem Schlag ins Kontor gleich kam für das titelsponsorlose Traditionsturnier die Meldung, dass die topgesetzte Nummer acht der Weltrangliste, Dominik Thiem (Österreich), genauso wenig wie der an Position drei gesetzte Südafrikaner Kevin Anderson an den Start gehen könnten. Beide sollen gesundheitlich angeschlagen sein. Krankheiten und Verletzungen passieren. Da kann man leider nichts machen“, sagte Turnierdirektor Michael Stich zerknirscht. Der Wimbledon-Sieger von 1991 hatte auch in den vergangenen Jahren immer wieder mit kurzfristigen Abmeldungen leben müssen. So schlimm wie dieses Mal war es aber noch nie.

Das Turnier, das vor einiger Zeit noch einen Platz mit Masters-Status im Kalender der Spielerorganisation ATP innehatte, wird nun förmlich zerrieben von anderen Veranstaltungen. Unmittelbar nach dem beendeten Rasenturnier in Wimbledon wechseln nur die wenigsten Tennis-Profis auf die rote Asche von Hamburg, bevor es vom 5. bis 21. August bei den Olympischen Spielen dann wieder zurück auf einen schnellen Belag geht. Das Turnier in Rio de Janeiro wird auf Hartplatz ausgetragen.

Als wäre diese Turnierabfolge nicht schon misslich genug für Stich und seine Mitstreiter, bekamen sie vom Internationalen Tennisverband ITF auch noch das Viertelfinale im Davis Cup als Konkurrenzveranstaltung am kommenden Wochenende vorgesetzt. Die Folge: Es sagten weitere Spieler ab, nachdem sie erfahren hatten, dass sie für den Davis Cup nominiert worden waren. Und so fehlen auch Roberto Bautista Agut (Spanien), Fabio Fognini (Italien), Juan Monaco (Argentinien), Lucas Pouille (Frankreich) sowie die Tschechen Lukas Rosol und Jiri Vesely.

Alle Hoffnungen der Veranstalter ruhen auf den deutschen Profis – dem Augsburger Philipp Kohlschreiber, dem Bayreuther Florian Mayer, den Gewinner von Halle, ganz besonders aber auf dem Lokalmatadoren Alexander Zverev. Letzterer ist so etwas wie die personifizierte Existenzsicherung des Turniers. Ohne den 19-Jährigen, der in seinem Erstrundenmatch auf den Spanier Íñigo Cervantes trifft, hätte das Turnier wohl keine große Zukunft mehr.

Dass Tennis in Hamburg nicht so zieht, zeigt sich auch daran, dass abermals nur für die Spiele auf dem Centre Court Eintrittsgeld zu entrichten ist. Auf den Nebenplätzen gibt es die Matches kostenfrei. Das Teilnehmerfeld ist aber qualitativ so überschaubar wie selten zuvor. Es deutet sich deswegen ein Nachspiel an: Stich will aufgrund der desaströsen Terminplanung mit der ATP in Verhandlungen über Kompensationszahlungen einsteigen. GÖR