Berlusconi trickst

Mit einer Wahlrechtsänderung will sich Italiens Ministerpräsident Berlusconi die Macht sichern

ROM taz ■ Italiens Abgeordnetenhaus hat am Donnerstagabend mit den Stimmen der Regierungskoalition eine einschneidende Wahlrechtsänderung verabschiedet. Wenn das Gesetz wie erwartet im November auch den Senat passiert, gilt bei den im nächsten Frühjahr anstehenden Parlamentswahlen ein reines Verhältniswahlrecht. Die Wähler können sich nur noch für eine Parteiliste entscheiden.

Bisher wählte Italien mit einem gemischten System: 75 Prozent der Sitze wurden in den Wahlkreisen direkt nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben. Das Mandat erhält der Kandidat mit den meisten Stimmen auch bei einfacher Mehrheit. 25 Prozent der Abgeordneten wurden über Listen nach dem Stimmenverhältnis der Parteien gewählt. Der Effekt liegt auf der Hand: Auch ein knapper Stimmenvorsprung kann zu deutlichen Mandatsmehrheiten führen. So hatte Berlusconis Koalition, die 2001 49,5 Prozent der Stimmen bekam, im Abgeordnetenhaus 360 der 630 Sitze erobert.

Dieser damals genehme Mechanismus macht Ministerpräsident Silvio Berlusconi nun Sorgen. Die letzten Regionalwahlen im April 2005 verlor seine Koalition deutlich. In allen Umfragen liegt sie hinter dem von Romano Prodi angeführten Mitte-links-Bündnis. Das neue Verhältniswahlrecht kann das erwartete Wahlresultat nicht umkehren, aber verhindern, dass die Rechtsfraktionen zu dezimiert ins Parlament zurückkehren.

Entsprechend wütend reagierte Prodis Mitte-links-Allianz auf den Durchmarsch der Koalition, die binnen drei Tagen das Wahlgesetz durchs Abgeordnetenhaus paukte. Die Opposition brandmarkte den „Gesetzesputsch“ als Anschlag auf die Demokratie, da hier einseitig die Spielregeln geändert würden. Zudem löste Kritik aus, dass das neue Gesetz der traditionellen Zersplitterung der Parteien keinen Einhalt gebiete und mit dem Verhältniswahlrecht das Regieren noch schwieriger werde. Berlusconi versucht dies zu entkräften. Zwar erhält die bestplatzierte Koalition einen Mehrheitsbonus im Abgeordnetenhaus und mindestens 340 der 630 Sitze zugesprochen, und die Sperrklausel zum Einzug ins Parlament liegt bei vier Prozent für die Parteien. Wenn sich eine Partei aber einer Koalition anschließt, sinkt diese Hürde auf zwei Prozent. Damit wird das neue Gesetz an der Zersplitterung de facto nicht viel ändern.

MICHAEL BRAUN

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