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Dank seiner vielen Helikopter-Landepunkte hat der Stadtrand beste ZukunftsaussichtenDer Weg nach oben

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Kürzlich war ich in einem Niendorfer Park spazieren, da stand auf einer Wiese vor mir ein Helikopter. Der Pilot ließ sich von einem Kind mit großen Augen begutachten und zwei Polizisten passten auf, dass nichts passiert. Mir fiel ein Bekannter ein, der sagte, in Niendorf gebe es viele Landepunkte für Helikopter und man könne die Landepunkte im Internet sehen auf den Karten, die die Welt als Foto von oben zeigen.

Tatsächlich sah ich ein paar Tage später in einem anderen Park auf einer anderen Wiese wieder einen Helikopter stehen. Ich sah ihm zu, wie er wegflog, was schnell ging und federleicht aussah. Senkrecht stieg er nach oben, dahin, wo die Kameras hängen, die für das Internet die Welt fotografieren.

Ich habe mir die kreisrunden Flächen im Internet nochmal angeschaut, es sind wirklich einige. Seitdem frage ich mich, was das für die Zukunft des Stadtrands bedeutet. Es gibt da diesen Film namens „Die Entdeckung Deutschlands durch die Marsbewohner“ aus dem Jahr 1916. Darin besucht ein Journalist vom Mars die Münchener Innenstadt, wird von den Münchnern mit Bier und Bretzn bewirtet und fährt dann weiter nach Berlin, um sich Lokomotiven-, Granaten- und Sektfabriken anzuschauen. Der Marsianer ist begeistert. Die Message des Films: Deutschland geht es trotz Krieg bestens.

Nun ist der Film ein Propagandawerk aus finsteren Zeiten, aber die Frage, die er aufwirft, ist schon gut: Was könnten wir den Marsianern bieten, wenn sie in Niendorf landen? Man könnte sagen: „Seht, Marsianer, wir haben die U2, die fährt vom Stadtrand in 20 Minuten ins Karoviertel.“ Oder: „Probiert, Marsianer, hier gibt es Döner vom Premium-Bistro. Da kocht der Chef selbst und hat ein Schild aufgehängt, auf dem steht: ‘Letzte Nette Türke vor Autoban (sic!).’“ Oder: „Spielt, Marsianer, wir haben eine Mini­golfanlage, auf der der Niendorfer Minigolfclub trainiert, und der spielt in der Bundesliga.“

Die Marsianer wären begeistert und würden die Niendorfer Landepunkte nutzen, um künftig in Niendorf Urlaub zu machen. Niendorf wäre das Mallorca des Mars. Das Premium-Bistro könnte so etwas werden wie die Sansibar auf Sylt, wo die Currywurst zwölf Euro kostet. Die Spiele des Niendorfer Minigolfclubs würden live zum Mars übertragen, mit mir als Experten. Mein Gehalt würde sich an dem der irdischen Fußballexperten orientieren und ich würde Sätze sagen wie: „Vor dem Loch ist er eiskalt. Ein klinischer Vollstrecker. Und das mit 21.“

Natürlich sind die Marsianer nicht nur pflegeleicht, nein, sie werfen die Servietten des Premium-Bistros neben die Abfalleimer und hängen an den Minigolf-Stars wie die Kletten. Niendorf droht zu ersticken am touristischen Erfolg. Also überlegen sich die Niendorfer, wie sie da wieder rauskommen. Sie erfinden den Schlager-Move und lassen die Marsianer umsonst in der U2 nach St. Pauli fahren. Auf einmal wird es wieder ruhig in Niendorf. Nur die Landepunkte bleiben in Betrieb und die Start- und Landegebühren sind hoch. Genau so müsste es laufen.

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