Kufenstar auf Heimaturlaub

Victoria ist schön anzusehen. In der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia findet sich nicht so sehr der typisch nordamerikanische Wolkenkratzer-Gigantismus, hier gibt viele urige Pubs britischen und irischen Stils. Gut 80.000 Menschen leben in Victoria. Seit dem vergangenen Donnerstag gehört eine Person dieser Gruppe an, die sie in Hamburg, beim Eishockeyklub Hamburg Freezers, schon jetzt vermissen. Jamie Benn ist nicht mehr da, er verließ die „Kühlschränke“. Der kanadische Ausnahmespieler flog aus „persönlichen Gründen“ zurück in die Heimat, in seine Geburtsstadt, in der seine Familie wohnt.

Heimweh soll der Grund gewesen sein. Bei den Freezers gibt es viele, die diese Entwicklung bedauern. Etwa Cheftrainer Benoit Laporte, der jetzt den Spieler zu ersetzen hat, der durch seine individuelle Klasse das Team auf eine höhere Leistungsstufe hob; seine Kollegen, denen ein Passgeber von enormer Kreativität und ein Vollstrecker von großer Entschlossenheit abhandengekommen ist, und natürlich die Fans, für die Jamie Benn ein bisschen große Eishockey-Welt war.

Es war von Anfang an klar, dass die Verbindung zwischen den Freezers und dem kanadischen Star der US-Profiliga NHL nicht von langer Dauer sein würde: Der Linksaußen des NHL-Klubs Dallas Stars war Anfang Oktober nur zu den Hamburg Freezers gekommen, weil der Spielbetrieb in der NHL auf Eis lag. Es tobte ein Arbeitskampf zwischen den Spielern und den Klubs. Die Klubeigner reagierten mit Aussperrung, dem sogenannten Lockout. Viele Stars der Liga suchten sich auf dem alten Kontinent Klubs, für die sie auf Zeit gegen Salär spielen konnten.

So auch Benn. Der 23-Jährige entschied sich für die Hamburg Freezers. Der Lockout in der NHL hält zwar mindestens bis zum 31. Dezember an und es ist nicht abzusehen, ob es dann noch eine verkürzte Saison geben wird. Benn ist dennoch nach Kanada zurückgekehrt. Er warb dafür um Verständnis: „Ich hoffe, die Fans respektieren diesen Schritt. Für die nächsten Spiele wünsche ich meinem Team viel Erfolg und weiterhin viele Siege.“

Das Problem ist nur, dass den Freezers mit Benn die Siege leichter von der Hand gingen. Mit dem Ausnahmekönner siegten die Freezers in zwölf von neunzehn, ohne ihn nur in drei von sieben Partien. Sportdirektor Stéphane Richer weist darauf hin, dass Benn bald zurück sein könnte: „Sollte der Lockout andauern oder die Saison komplett ausfallen, erwarten wir Jamie im Januar zurück.“ Doch die Rückkehr ist unwahrscheinlich. Wie sehr Benn den Freezers fehlt, dürfte sich schon am Dienstag im Heimspiel gegen Ingolstadt zeigen.  CHRISTIAN GÖRTZEN