Streit um Kreißsäle

Gesundheit Der Senat prüft, ob am Klinikum Mitte wieder eine Geburtshilfestation eröffnen soll – dabei hat er die letzten Jahre gesagt, es bestehe dafür kein Bedarf

Brauchen mehr Platz: Bremer Säuglinge Foto: Archiv

von Eiken Bruhn

Wegen stetig steigender Geburtenzahlen braucht Bremen drei bis vier Kreißsäle mehr. So schreibt es der Senat in einer Antwort auf eine Anfrage von SPD und Grünen. Und das, so heißt es in dem Schreiben weiter, im Grunde sofort: Denn schon ab 2019 sei wieder mit weniger Geburten zu rechnen, sodass im Jahr 2030 wieder ähnlich viele Kinder in Bremer Kliniken zur Welt kommen werden wie im Jahr 2014. In dem Jahr war der Anstieg besonders stark: Mit 8.766 Geburten waren im Vergleich zum Vorjahr 700 Gebärende mehr zu betreuen, ein Anstieg um 8,5 Prozent.

Das wäre unter normalen Umständen verkraftbar – aber normal ist in Bremen nichts mehr, seitdem wegen des Keimskandals im Februar 2012 von heute auf morgen die Geburtshilfe im Klinikum Mitte geschlossen worden war. 2011 hatten dort 1.077 Frauen ihre Kinder geboren, vor allem das Sankt-Joseph-Stift und das Klinikum Links der Weser bekamen damit auf einen Schlag jeweils über 400 Geburten mehr.

Jetzt überlegt der Senat, im Klinikum Mitte wieder eine Geburtshilfe zu eröffnen, ausgelegt für mindestens 1.000 Geburten, wie Karen Matiszick sagt. Sie ist Pressesprecherin der Gesundheit Nord (Geno), einem Eigenbetrieb des Landes Bremen, der vier städtische Kliniken, darunter auch Mitte, betreibt. Matiszick sagt aber auch, von wie vielen Faktoren es abhängt, ob der Plan aufgeht, auf den gerade entstehenden Neubau des Eltern-Kind-Zentrums noch eine Etage draufzusetzen für Kreißsäle, Wöchnerinnenstation und OP. „Wir prüfen, ob der Bauablauf das noch zulässt“, sagt sie. Wenn unten schon die Kinderklinik eröffnet ist, könne oben nicht mehr gebaut werden, außerdem müsse der Generalplaner Zeit haben. Und: Die Entscheidung müsse in den nächsten Wochen fallen. „Dann schließt sich das Zeitfenster.“

Doch dafür muss der Senat erst einmal eine Entscheidung über die Finanzierung fällen – unwahrscheinlich, dass dies vor Ende der Sommerferien in vier Wochen geschieht. Die Geno könne die Mehrkosten für den Neubau jedenfalls nicht stemmen, stellt Matiszick klar. „Wir können keinen weiteren Kredit aufnehmen.“

Der Senat wiederum äußert sich zu dem Thema nicht. „Wir prüfen das noch“, sagt Christina Selzer, Sprecherin von Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt. Und: Über eine Alternative zu Mitte sei nicht nachgedacht worden.

Viele gibt es in der Stadt auch nicht. Am städtischen Klinikum Links der Weser sei kein Platz mehr für einen weiteren Ausbau, sagt Matiszick von der Geno. Das Klinikum Nord ist zu weit weg, das Diako in Gröpelingen will nicht, weil es nach Aussage eines Sprechers nicht ausgelastet ist. Bleibt nur das Sankt-Joseph-Stift in Schwachhausen.

„Wir sagen seit Jahren, dass die Kapazitäten in Bremen in der Geburtshilfe nicht ausreichend sind“, sagt der Geschäftsführer der Klinik, Torsten Jarchow. Das Sankt-Joseph-Stift habe deshalb im Juni entschieden, die Kreißsaalkapazitäten auszubauen und einen fünften Kreißsaal zu eröffnen. Aber ohne finanzielle Unterstützung des Landes, um die Jarchow vergeblich gebeten hatte. Noch im letzten Jahr, sagt er, habe ihm die Gesundheitssenatorin wie zuvor bereits ihr Vorgänger gesagt, es gebe genügend Kreißsäle in Bremen. „Es wundert mich sehr, dass sie das jetzt plötzlich anders sieht.“

„Wir sagen seit Jahren, dass die Kapazitäten in der Geburtshilfe nicht ausreichend sind“

Torsten Jarchow, Geschäftsführer Sankt Josef Stift

Ihre Sprecherin Christina Selzer erkennt keinen Widerspruch. „Wir sagen nicht, dass wir unbedingt mehr Kreißsäle brauchen, es wäre nur schön, wenn man sie hätte.“ Denn aus Sicht des Senats reichten die Kapazitäten „gesamtbremisch betrachtet“ aus.

Das bedeutet, dass Kliniken immer wieder Gebärende abweisen und an andere Kliniken verweisen müssen, weil es keine Räume gibt, in denen sie ihr Kind bekommen können. 300 bis 400 Mal jährlich sei dies seit 2013 geschehen, sagt der Senat in seiner Antwort auf die Frage von SPD und Grünen. Also täglich.

Außerdem können die besonders überlasteten Kliniken nicht garantieren, dass eine Frau unter der Geburt kontinuierlich von einer Hebamme betreut wird. Zwei Kliniken, heißt es im Senatsschreiben, schafften dies „in der Regel“, eines „nur punktuell“ und zwei könnten dies „überwiegend nicht sicherstellen“.

Dabei hat das Bremer Bündnis für eine natürliche Geburt, an dem die Gesundheitssenatorin beteiligt ist, vor einem Jahr gesagt, eine 1:1-Betreuung „anzustreben“.