LeserInnenbriefe
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Linke Politik erwartet

betr.: „Das folgt aus neoliberaler Politik“, Interview mit Jürgen Trittin, taz vom 25. 6. 16

Immerhin ein – wenn auch vergleichsweise kleiner – Artikel über die wahren Ursachen des Brexit in der taz.

Solange wir zwar eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion, jedoch keine gleichberechtigte europäische Sozialunion haben, wird sich die EU nicht zum Positiven verändern, und der Drang zum EU-Austritt wird auch in anderen EU-Staaten weiter wachsen. Auch wenn diese Austrittsbewegungen vordergründig von Rechtspopulisten angeführt werden: Hintergründig wird von den Bürgerinnen und Bürgern eine linke Politik erwartet, welche die ausufernde wirtschaftlich-soziale Ungleichheit in den EU-Staaten wirksam bekämpft. Eine solche liegt jedoch nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch EU-weit real in weiter Ferne, solange Europa von Frau Merkel, Herrn Schäuble & Co. weiterhin dominiert wird und sogar die Linke bei uns in Deutschland völlig uneins über ihren politischen EU-Kurs ist.

ELGIN FISCHBACH, Leimen

Achillesferse der Demokratie

betr.: „Die Phase der Ruhe ist vorbei“, taz.de vom 24. 6. 16

Es ist gut, dass die Mehrheit bestimmt. Aber es ist weniger schön, wenn die Mehrheit dumm, nationalistisch oder gar faschistisch ist. Der Brexit steht für die Achillesferse der Demokratie. Er wurde auf derselben populistischen Welle getragen wie anderswo sonstige politische Debatten in Europa. Die Möchtegern-Heimatverbundenen sind im Kommen, ob in den Niederlanden, Frankreich, Ungarn, Polen oder bei uns im Osten: Einfache Antworten anbieten, Wir-Gefühl erzeugen, Emotionen schüren, einen Sündenbock bestimmen … und fertig ist die Nationalisten-Suppe!

Was das „emotionale, populistische Lager“ nicht versteht, ist, dass man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen kann. Diversity und Globalisierung sind die Zukunft. Die Gesellschaften sind bereits in ausgeprägtem Maße vielfältig. Diese Seite vereinbart sowohl ideologische, ethische, als auch sachliche (wirtschaftliche) Aspekte. Abschottung dagegen steht für gestern; für 1937, bestenfalls für 1981. Diese Seite lebt lediglich von Ängsten und Befürchtungen, von Emotionen. Mittelfristig wird sie einsehen, dass die Weltwirtschaft komplex ist, dass Aufträge weltweit nicht nur über den Preis vergeben werden. Und sie wird hoffentlich verstehen, dass der Nationalismus bisher immer in eine Sackgasse führte. Vor allem, aber nicht nur in Europa.

SAAD FIDAOUI, Buchholz

Ein trauriger Rückschritt

betr.: „Es lebe die Republik“, taz.de vom 24. 6. 16

„Der Mensch strebt nicht nach Glück, nur der Engländer tut das.“ Nur, um welches Glück handelt es sich, falls in Nietzsches Völkerpsychologie etwas Wahres liegen sollte?

Die EU hat für Europa einen riesigen Fortschritt gebracht. Ich meine das Prinzip, dass die europäischen Völker nach gescheiterten Kompromissen vor Gericht und nicht in den Krieg ziehen. Russland/Ukraine und der Balkan zeigen, bei allen Unterschieden der Vorgeschichten, wie schnell etwas umkippt.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein trauriger Rückschritt. Statt sich auf den überragenden Wert des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen in Europa unter einem Dach zu besinnen und die Arbeit an der Entwicklung der europäischen Institutionen im Sinne eines besser durchschaubaren demokratischen Systems zu intensivieren, sagen die britischen Nettozahler nein zum vereinten Europa. Die unsolidarische Rigorosität der Bundesrepublik Deutschland angesichts der Massenarmut in Südeuropa, aber auch im eigenen Land trägt zu den Auflösungserscheinungen bei.

Mögen die Engländer ihr Glück in der splendid isolation finden. Uns bleiben alle Möglichkeiten, Europa unter Überwindung der nationalen Egoismen und der Profitgier als übermächtigem gesellschaftlichen Motor zusammenzuhalten.

UDO GRÖNHEIT, Berlin

Politik ist kein Spiel

betr.: „Tage der Reue“, „Bei Labour kracht es heftig“ von Dominic Johnson, taz vom 27. 6. 16

Man möchte vor allem diese eine Frage in den britischen Raum stellen: „Wussten sie nicht, was sie taten?“

Andererseits, wer trotz dieses bedauerlich aufgeheizten und schmutzigen Lagerkampfs sein Wahlrecht aufgrund eines allzu naiven „Eyes Wide Shut“ verschenkt hat, dem kann auch eine bessere EU nicht mehr helfen.

Politik, insbesondere von dieser Tragweite, ist nun mal kein Spiel, sondern wie das Leben der Ernstfall.

MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram