Drei Anschläge und viele offene Fragen

SAUDI-ARABIENEine Terrorserie mit neun Toten hat am Montag das Königreich erschüttert

BERLIN taz | Prinz Faisal bin Salman war sichtlich bemüht, den Anschein von Normalität zu erwecken. Wenige Stunden nachdem sich ein Attentäter in Medina in die Luft gesprengt hatte, betete der Gouverneur mit Hunderten Gläubigen in der weltberühmten Moschee der Stadt. Vor dem Gotteshaus, einem der wichtigsten des Islam, hatte der Angreifer am Montagabend vier Sicherheitskräfte mit in den Tod gerissen.

Doch die Normalität trügt. Der Anschlag war einer der schwersten der vergangenen Jahre und nur einer von dreien innerhalb von 24 Stunden. Angriffe gab es am Montag auch vor einer Moschee in Katif im Osten sowie nahe des US-Konsulats in Dschidda im Westen des Landes. Das Innenministerium arbeitet an der Identifizierung dreier Leichen in Katif, was auf mehrere Angreifer hinweist. In Dschidda kam nur der Attentäter ums Leben, ein 34-jähriger Pakistaner, der als Fahrer gearbeitet haben soll. Saudi-Arabien ist in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz von Anschlägen geworden. Von größeren Aktionen blieb die stabile Golfmonarchie aber verschont.

Zu den Anschlägen von Montag bekannte sich zunächst niemand. Dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die Attacken plante, ist nicht bewiesen. Bemerkenswert ist die Auswahl der Ziele: Der Angriff in Dschidda lässt darauf schließen, dass mit dem Konsulat eine amerikanische Einrichtung getroffen werden sollte. Anschläge auf Ausländer in Saudi-Arabien waren in der Vergangenheit von al-Qaida verübt worden. 2003 hatten die Dschihadisten mehrere Wohnkomplexe in Riad angegriffen. Die Explosion in Katif dagegen ereignete sich vor einer schiitischen Moschee. Die Bombe in Medina schließlich explodierte vor einem der wichtigsten Orte für Sunniten und Schiiten gleichermaßen.

Der radikalsunnitische IS betrachtet Schiiten als Ungläubige, lehnt aber auch die streng sunnitische Herrschaft der Saud-Familie ab. Riad ist Teil der US-geführten Militärkoalition gegen den IS. Die Terrormiliz kommt als möglicher Drahtzieher daher infrage – ein Angriff auf die Moschee in Medina ergibt allerdings selbst im kruden Weltbild des IS keinen Sinn. Die Moschee wird jährlich von Millionen sunnitischen und schiitischen Pilger besucht. In Medina fand der islamische Prophet Mohammed der Überlieferung nach Zuflucht, nachdem ihn die Mekkaner vertrieben hatten.

In Saudi-Arabien wurden nach den Anschlägen Stimmen laut, die reflexhaft den Iran als Drahtzieher des Angriffs in Medina vermuteten. Dieser allerdings verurteilte die Angriffe und rief die Saudis zum Schulterschluss im Kampf gegen Islamisten auf. „Es gibt keine roten Linien mehr, die die Terroristen noch überschreiten könnten“, erklärte Außenminister Mohammed Dschwad Sarif am Dienstag. Jannis Hagmann