LeserInnenbriefe
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Bekannte SPD-Strategie

betr.: „Plötzlich links“, taz vom 2. 7. 16

Links blinken, rechts abbiegen – diese Strategie der SPD kennen wir doch schon. Genauso ist es auch diesmal wieder. Gabriels Aussage, „Wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“, bestätigt dies eindrucksvoll. Dass Tsipras in Griechenland, Podemos und Vereinigte Linke in Spanien etc. ursozialdemokratische Positionen vertreten, die früher fester Bestandteil sozialdemokratischer Grundsatzprogramme in Deutschland waren, ist Herrn Gabriel und seiner SPD noch immer nicht aufgefallen. Die SPD tut wirklich alles dafür, bei der nächsten Bundestagswahl die frühere 18-Prozent-Marke à la Westerwelle zu realisieren, wodurch ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene als dringend notwendiges Gegengewicht zu mehreren Jahrzehnten neoliberaler Agenda-Politik in noch weitere Ferne rückt.

ELGIN FISCHBACH, Leimen

Egal ob Mann oder Frau

betr.: „Powerfrauen statt Eiertänzern“, taz vom 1. 7. 16

Wenn die Frauen May, Sturgeon und Eagle tatsächlich Trümmerfrauen wären, müssten sie nicht zuletzt die Frauentrümmer aufräumen, die Frau Thatcher hinterließ. Meinen Sie es tatsächlich ernst, wenn Sie Frau Merkel als Beispiel für erfolgreichen Wiederaufbau und Weiterregieren nennen? Erkennen Sie den Zusammenhang zwischen einer Merkel-Politik in Europa (Spar­zwang für die Südländer und Flüchtlingsdeal mit der Türkei) und dem Votum für den Brexit?

Ich habe 16 Jahre Kohl erlebt, ein kleines Intermezzo Schröder/ Fischer und nun Merkel seit elf Jahren. Große politische Unterschiede trotz des kleinen Unterschiedes erkenne ich nicht. Die Folgen sind für mich Grund genug, nie mehr SPD und Grüne, geschweige denn CDU zu wählen – egal ob Mann oder Frau an der Spitze. Das Interview mit Frau Quindeau in der taz vom letzten Wochenende gab da doch deutlich mehr Orientierung. Nach einem Ziel gefragt, antwortete Frau Quindeau: „Dass die Kategorie Geschlecht überhaupt die Bedeutsamkeit verliert.“

STEFAN KLATT, Berlin

Eine Unverschämtheit

betr.: „Trümmerfrauen“, „Powerfrauen statt Eiertänzern“taz vom 1. 7. 16

Ich finde es eine Unverschämtheit, die fantastische SNP-Führerin und Erste Ministerin in Schottland, Nicola Sturgeon, auf Ihrem Titelfoto ausgerechnet zwischen die Konservative Theresa May und die Labour-Verräterin Angela Eagle zu stellen. Es ist ebenfalls eine Unverschämtheit, den Labour-Leader Jeremy Corbyn als Eiertänzer zu bezeichnen und ihn damit auf die gleiche Stufe wie David Cameron und Boris Johnson zu stellen.

Jeremy Corbyn hat sich jahrzehntelang und unermüdlich für Demokratie, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, für Menschenrechte, wo immer sie verletzt werden, gegen Rassismus und Abschottung eingesetzt und hat sich damit immer wieder gegen das Establishment gestellt. Als er sich letztes Jahr bereit erklärte, sich um die Führungsposition in der Labour Party aufstellen zu lassen, gab es massiven Zulauf und Tausende neuer Mitglieder für die Labour Party. Dies passte dem Establishment, einschließlich dem in der eigenen Partei, nicht, und es wurde von Anfang an alles versucht, ihm Steine in den Weg zu legen und seine Beliebtheit herunterzuspielen. Er gewann aber mit der größten Mehrheit, die es je gegeben hat, fast 60 Prozent. Und dieser Mehrheit fühlt sich Jeremy auch jetzt weiterhin verpflichtet, auch wenn die Blairites mit den gemeinsten Tricks versuchen, seine Position zu unterminieren. Dass ausgerechnet die taz nun auch noch in die gleiche Kerbe schlägt, finde ich schamlos und niederträchtig. Ich schreibe als Frau, aber nicht jede Frau ist allein wegen ihres Geschlechts eine bessere Politikerin – das sollten wir doch wohl spätestens seit Margaret Thatcher gelernt haben.

KARIN REITER, Hamburg

Das Interview ist ganz cool

betr.: „Wie eine Reise ins Mittelalter“, taz vom 1. 7. 16

„Antimuslimischer Rassismus“ sei es, wogegen Hatice Durmaz kämpft. Rassismus? Es geht wohl eher um Religion, als um Rasse. Rassismus klingt aber verwerflicher. Islamkritik sei salonfähig geworden. Hört, hört! Islamkritik ist meines Wissens Reli­gions­kritik oder politische Kritik, also ganz normal. Dass das von Muslimen nicht so gesehen wird, ist leider bekannt, es hat sich seit dem Mittelalter nicht geändert.

Den Interviewtext umfließt ein Foto vom muslimischen Gebet im Freien. „Die Uni schloss den Gebetsraum“ steht darunter. Das wird nicht weiter kommentiert, steht aber unverkennbar in Bezug zu dem Interview über den „antimuslimischen Rassismus“. Ja, so böse ist das Umfeld, mal offener (Pegida, AfD), mal verdeckter (die Uni?). Wir toleranten Menschen, die die Übergriffe auf Moscheen verabscheuen, weichen irritiert zurück. Also besser keine Islamkritik, Rassist zu sein, wäre ja das Letzte!

Wer wie Hatice Durmaz so mit solchen Begriffen hantiert, ver­dient mein Misstrauen. Solche Leute verschaffen sich Raum, in­dem sie die Rücksicht der Toleranten ausnutzen, eine bewährte Methode, freie Gesellschaften gefügig zu machen. Brechts „Auch der Hass gegen Ungerechtigkeit verzerrt die Züge“ scheint es nicht zu sein. Das Interview ist ganz cool. Daniel Bax scheint das alles nichts auszumachen, er spricht ja fast allen kritischen Muslimen, zum Beispiel Hamed Abdel-Samad, ihre Legitimation ab.

CHRISTIAN VON FABER, Luckenwalde