LeserInnenbriefe
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Polemik überdeckt Versagen

betr.: „De Maizière und das Abschiebehindernis“,taz vom 20. 6. 16

Dass für Herrn de Maizière offensichtliche Falschmeldungen, Unterstellungen und zum Teil auch Lügen zu seiner Art, Politik zu betreiben, gehören, hat sich in seinen verschiedenen Positionen als Minister immer wieder herausgestellt. Auch, dass er nicht in der Lage ist, zu seinen Äußerungen oder Entscheidungen zu stehen und Verantwortung zu übernehmen.

Und nun erneut. Dieses Mal unterstellt er einer ganzen Berufsgruppe Unlauterkeit, ja sogar Betrug, wenn er behauptet, dass Ärzte falsche Atteste ausstellen, um Abschiebungen zu verhindern.

Zwar hat sein Sprecher versucht, den Generalverdacht gegenüber den Medizinern zurückzunehmen und mit sogenannten Stichprobenergebnissen zu relativieren, doch bleibt auch hier die Behauptung erst einmal stehen.

Dass generell davon ausgegangen werden kann, dass Kriegserlebnisse und die Erfahrungen auf der Flucht Traumata auslösen, scheint de Maizière nicht begriffen zu haben oder er will es nicht begreifen. Statt dass er dafür sorgt, Asylanträge schneller zu bearbeiten, indem mehr finanzielle Mittel bereitgestellt und mehr Personal eingestellt wird, müssen unwahre Behauptungen und Polemik herhalten, um sein Versagen zu überdecken.

BERT WAGNER, Bochum

Widerstandsunfähig gespritzt

betr.: „De Maizière und das Abschiebehindernis“,taz vom 20. 6. 16

Als langjährigem Hausarzt und Flüchtlingsbetreuer sind mir „Gefälligkeitsgutachten“ für Geflüchtete nie untergekommen, öfter dagegen solche einiger (nicht aller!) Amtsärzte im Sinne der Abschiebebehörden, mit der Folge, dass Schwerkranke widerstandsunfähig gespritzt und dann ohne Weiterbetreuung auf irgendeine abseitige Landebahn gekippt wurden.

Aber derartige Lügen sind bei diesem notorischen Horrorzahlenerfinder ja nichts Neues. ERNST SOLDAN, Norderstedt

Linke muss Europa retten

betr.: „ Austritt. Nur linker Brexit macht Sinn“, taz vom 21. 6. 16

Was Paul Mason zu Großbritannien schlussfolgert, gilt für ganz Europa.

Ein Austritt geht derzeit nicht, weil dann Neoliberalismus und nationalistischer Chauvinismus nicht von der Linken aufzuhalten sind. Ein linker Austritt aus Europa macht für kein Land Sinn und wäre nur sinnvoll, wenn alternative europäische Strukturen wenigstens im Entstehen sind.

Die Linke muss Europa retten, die Linke muss endlich ihre europäische Aufgabe begreifen. Der Neoliberalismus ist von der Wirtschaftslogik her, der Logik des Kapitals, der Totengräber für Europa. Beim Neoliberalismus profitiert immer der Reiche und damit Mächtigste und am Schluss sind es immer weniger, die profitieren. Das bildet sich auch sozial in den einzelnen Ländern ab, aber abgemildert in den reichen.

Paul Mason ist derzeit der fähigste Kritiker der politischen Ökonomie der Globalisierung. Aber Europa ist für ihn keine oppositionelle Größe, weil Europa neoliberal geführt wird.

Wer das Projekt und die Idee von Europa nicht als bestes Ergebnis der Nachkriegsentwicklung erhält, verliert Perspektive, verliert die Zukunft. Diese emphatische Realität muss die Linke endlich mit der sozialen verbinden und mit der großen Kraft der Solidarität. Sie muss die Grenzen der Nationalität verlassen und auch in der Praxis europäisch werden.

BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim

Ziemlich unglaubwürdig

betr.: „Handelsvertrag. Auch bei TTIP droht Alleingang Brüssels“, taz vom 20. 6. 16

Cecilia Malmström schießt ein klassisches Eigentor.

Es bleibt ziemlich unglaubwürdig, über den Charakter von TTIP erst reden zu wollen, wenn das Abkommen fertig ist, da die konkreten Inhalte schon durch die nötige Zustimmung des Verhandlungspartners USA ex post nicht mehr so einfach verändert werden können. Und es macht sehr nachdenklich, wenn EU-Kommissarin Cecilia Malmström nicht sieht, dass sie mit ihrem persönlichen Ehrgeiz nicht weniger als das Vertrauen sehr vieler Bürger in die europäische Idee als solche gefährdet.

Es bedarf hier dringend einer besseren Selbstreflexion, zumal eine ausgebildete Politologin eigentlich wissen sollte, dass die Krise der Europäischen Union gerade auf einem Demokratiedefizit basiert, das man verschlimmert, wenn man sich technokratisch hinter juristischen Paragrafen versteckt!

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Grundsätzliches Problem

betr.: „Handelsvertrag. Auch bei TTIP droht Alleingang Brüssels“, taz vom 20. 6. 16

Wenn EU-Kommissarin Malmstroem meint, die Ceta- und TTIP-Abkommen an den nationalen Parlamenten vorbei durchdrücken zu müssen, hat sie ein grundsätzliches Problem mit dem, was wir als Demokratie bezeichnen.

Wer das Inkraftsetzen beider Abkommen als „technische Frage“ versteht, hat offenbar noch nicht verstanden, was Millionen von Europäern wollen. Wer handelt, um Klientel- und Lobbyinteressen zu bedienen, darf sich nicht wundern, dass sich die Menschen von Europa abwenden. HANS-GEORG VEIT, Trier