Muslime gründen Wohlfahrtsverband

SOZIALES Um die bestehende Sozialarbeit der Gemeinden zu professionalisieren und besser zu organisieren, soll in Bremen der bundesweit erste islamische Wohlfahrtsverband gegründet werden

Zunächst wollen sich allerdings nur zwei der vier muslimischen Gemeinschaften in Bremen dem Verband anschließen

Die Muslime in Bremen wollen bis Jahresende den bundesweit ersten islamischen Wohlfahrtsverband gründen. Damit soll die bereits in den Gemeinden bestehende Sozialarbeit professionalisiert und organisiert werden, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes Schura in Bremen, Mustafa Yavuz.

Der Verband solle unabhängig und selbstverantwortlich in Trägerschaft der muslimischen Gemeinschaften arbeiten, sagte Yavuz. Als gemeinnützig anerkannter Verein könnte er öffentliche Fördermittel beantragen. Bremen biete sich für ein „muslimisches Pilotprojekt“ an. In der Hansestadt lebten zwischen 50.000 und 60.000 Muslime, da sei die Situation überschaubar.

Allerdings wollen sich zunächst nur zwei der vier in Bremen vertretenen muslimischen Gemeinschaften dem Verband anschließen. Der Vorsitzende der türkisch-islamischen Union Ditib verwies auf entsprechende Pläne seines Bundesverbandes zur Gründung eines Wohlfahrtsverbandes: „Wir wollen diese Entwicklung abwarten und halten uns deshalb im Land Bremen erst einmal zurück.“

Yavuz zufolge will sich der neue Verband vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen engagieren. Die Landesregierung habe erst kürzlich beklagt, dass in Bremen 1.200 Kita-Plätze fehlten. Außerdem könnten die Flüchtlingsarbeit und die Präventionsarbeit zum Schutz der Jugend vor Radikalisierung über einen Wohlfahrtsverband organisiert werden. Auch die Gefängnisseelsorge für Muslime könnte unter das Dach des neuen Verbandes kommen.

Ein weiteres Projekt könne die Gründung einer Akademie oder Bildungseinrichtung sein, sagte Yavuz. Die Muslime könnten zu gesellschaftlich relevanten Themen und Diskussionen einen eigenen Beitrag leisten. Hier gebe es derzeit eine Lücke. An einer solchen Akademie sollten muslimische Theologen und Religionswissenschaftler beschäftigt werden, die in Deutschland ausgebildet seien.

Der Düsseldorfer Sozialexperte Samy Charchira, Sachverständiger für islamische Wohlfahrt bei der Deutschen Islamkonferenz und im Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Nordrhein-Westfalen, begrüßt die Initiative. Es sei an der Zeit, dass auch die mittlerweile rund 4,7 Millionen Muslime in Deutschland eine echte Wahlfreiheit haben, wenn sie soziale Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollten, sagte er.

In der Islamkonferenz sei das Thema „Islamische Wohlfahrtspflege“ in den vergangenen Monaten ins Stocken geraten. „Deshalb brauchen wir jetzt Leuchtturmprojekte, die Impulse für weitere Gründungen geben.“

Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass die Moscheegemeinden sich bereits seit 50 Jahren in der Wohlfahrtspflege engagierten. Sie betreuten etwa Kinder bei den Hausaufgaben und berieten Familien in Erziehungs- und sonstigen Fragen. Allerdings werde dies ehrenamtlich geleistet oder durch Spenden finanziert. (epd/ taz)