Teure Arzneimittel

Kassen rechnen dieses Jahr mit 20 Prozent Mehrkosten. Ministerin Ulla Schmidt droht Ärzten mit neuem Gesetz

BERLIN taz ■ Deutsche Ärzte verschreiben zu viele teure Medikamente, ohne günstige Alternativen zu prüfen. Das ist der Tenor des Arzneiverordnungs-Reports 2005, der gestern von Gesundheitsexperten in Berlin vorgestellt wurde. „Statt auf bewährte Medikamente mit vergleichbarer Wirkung zu setzen, wählen Mediziner meist das neueste Präparat aus, das aber oft dreimal so teuer ist“, sagte Herausgeber Dieter Paffrath.

Bei den Arzneimittelausgaben droht in diesem Jahr eine Kostenexplosion. Insgesamt gehen die Kassen im Vergleich zum Vorjahr von 4 Milliarden Euro an Mehrkosten aus, das entspricht einer Steigerung um rund 20 Prozent. Ärzte und Kassen hatten im vergangenen November eigentlich ausgehandelt, dass die Kosten für Medikamente nur um 5,8 Prozent steigen sollten.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wirft der Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen deshalb vor, bei der Ausgabensteuerung versagt zu haben. „Solange man nur Vereinbarungen trifft, ohne Sanktionen festzulegen, werden wir auch jedes Jahr das Gleiche erleben“, kritisierte sie. Schmidt schließt nicht aus, notfalls mit einem Gesetz gegen die explodierenden Kosten vorzugehen. „Wenn die Selbstverwaltung nicht funktioniert, müssen wir überlegen, wie wir die Ausgaben gesetzlich begrenzen können“, so Schmidt.

Report-Herausgeber Dieter Paffrath warnte davor, dass die Arzneimittelausgaben zu steigenden Kassenbeiträgen führen könnten: „Wenn nicht noch in diesem Jahr gegengesteuert wird, sehe ich die Gefahr für steigende Beiträge ab Anfang 2006.“ Diese Befürchtung wies Gesundheitsministerin Schmidt zurück. Die Kassen hätten genügend finanzielle Reserven. Die steigenden Arzneimittelkosten verringern nach Schmidts Worten lediglich den Überschuss der Krankenkassen, sodass die Beiträge nicht gesenkt werden könnten, wie dies ursprünglich geplant war.

Als Vertreter der Ärzteschaft wies Leonhard Hansen die Einsparvorschläge des Arznei-Reports als unrealistisch zurück. „Durch die Verschreibung von Generika kann man deutschlandweit höchstens 700 Millionen Euro einsparen“, meinte Hansen. Report-Herausgeber Paffrath sieht hier hingegen Einsparmöglichkeiten von 2,9 Milliarden Euro.

Hansen räumte aber ein, dass die massive Werbung der Pharmaindustrie für neue Produkte nicht spurlos bleibe. „Es sind 25.000 Pharmareferenten in den Praxen im Land unterwegs, unterstützt von Gutachten pseudo-seriöser Wissenschaftler im Auftrag der Industrie.“ Daher machten Ärzte bei der Auswahl der besten Medizin eben auch Fehler. JAN PFAFF