Gegen Ideenarmut

Der Kampf gegen Hunger in Afrika kann gewonnen werden – mit der richtigen Politik

VON DOMINIC JOHNSON

Über 850 Millionen Hungernde weltweit, sechs Millionen Hungertote allein schon dieses Jahr: Zum diesjährigen Welternährungstag der Vereinten Nationen schlagen die Hilfswerke Alarm. Das Engagement der internationalen Staatengemeinschaft ist erlahmt, mahnen die Menschenrechtsorganisation Fian (Food First Informations- und Aktionsnetzwerk) und das katholische Hilfswerk Misereor. Die Deutsche Welthungerhilfe warnt: Die Zahl hungernder Kinder in Afrika südlich der Sahara werde bis 2015 von 33 auf 50 Millionen steigen und bis 2025 auf 55 Millionen.

In diesem Jahr haben die Live-8-Konzerte und der G-8-Gipfel, der UN-Weltgipfel und die Hungersnot in Niger zwar Aufmerksamkeit auf die Probleme Afrikas gelenkt. Und Bekenntnisse zu einer Verdoppelung der Entwicklungshilfe sowie massive Schuldenerlasse sind gefolgt. Doch was genau zu tun ist – diese Debatte steht noch am Anfang.

Besseres Wassermanagement, produktivere Anbaumethoden, leistungsfähigeres Saatgut – das sind die Prioritäten, die die Experten der Deutschen Welthungerhilfe und des US-Forschungsinstituts IFPRI (International Food Policy Research Institute) vorschlagen. Bei der gestrigen Vorstellung eines Berichts über „Perspektiven für landwirtschaftliche Entwicklung und Ernährungssicherheit“ warben sie darüber hinaus für ein Ende des globalen Agrarprotektionismus sowie Investitionen in Afrikas ländliche Infrastruktur und in Bildung.

Die Studie baut auf praktischen Erfahrungen auf, die in politischen Konzepten oft fehlen. „Zunehmend unfruchtbare Böden lassen die Erträge einbrechen, neu erschlossene Agrarflächen sind oft entlegen, deshalb schlecht zugänglich und zudem wenig ergiebig. Sie können deshalb nicht wirtschaftlich bearbeitet werden“, heißt es. „Daher sind Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere in den Straßenbau, dringend erforderlich. Darüber hinaus hemmen Marktbarrieren in den Entwicklungsländern selbst – etwa Probleme bei der preisgünstigen Versorgung mit Betriebsmitteln wie Dünger – sowie Subventionen und Handelsbeschränkungen der Industrieländer die Entwicklungschancen. Kaum verbreitetes Wassermanagement, unzureichender Einsatz von Düngemitteln und zu geringe Investitionen in die Agrarforschung sind weitere wesentliche Gründe für zu geringe Ertragssteigerungen.“

Den Gesamtinvestitionsbedarf über die nächsten 20 Jahre in diese Bereiche beziffert die Studie auf 303,2 Milliarden Dollar – von den betroffenen Regierungen selbst, aber auch von Geberländern und privaten Investoren. Das könnte bewirken, dass die Zahl der hungernden Kinder nicht von 33 auf 50 Millionen steigt, sondern auf 9,4 Millionen sinkt. Die Summe klingt astronomisch, ist aber pro Jahr nur etwa so viel wie der Wiederaufbaubedarf in den diesjährigen Hurrikan-Katastrophengebieten der USA, und dieses Geld wird schließlich problemlos mobilisiert.

Auch Deutschland kann da mitmachen. Nachdem die SPD in ihrem Wahlprogramm mehr Geld für ländliche Entwicklungshilfe versprach, müsse „der verstärke Einsatz für das Recht auf Nahrung und Landreformen im Koalitionsvertrag festgeschrieben“ werden, fordert Fian-Deutschland. „Wenn die neue Bundesregierung den Hunger effektiv bekämpfen will, muss sie vor allem Landlose und Kleinbauern unterstützen und dafür die Ausgaben für ländliche Entwicklungszusammenarbeit signifikant erhöhen.“